In Kürze

„Deutschland braucht Versorgungsziele“

Berlin (pag) – Das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung macht sich auf seinem jüngsten Forum dafür stark, Versorgungsziele für das hiesige Gesundheitssystem zu definieren. „Nur wer Ziele hat, kann erfolgreich sein“, sagt Prof. Reinhard Busse von der TU Berlin. Internationale Einblicke vermittelt ein Priorisierungsexperte aus Schweden.

© iStock.com, marchmeena29

Dort habe man in den 1990er Jahre erkannt, dass Priorisierung notwendig sei, um das übergeordnete gesundheitspolitische Ziel „Good Health on equal Terms“ zu erreichen, berichtet Prof. Lars Sandmann, Universität Linköping. Als Richtschnur dienten die drei Prinzipien human-dignity, needs-solidarity sowie cost-effectiveness principle, wobei letzteres den ersten beiden untergeordnet sei. Je schwerer die Erkrankungen, desto weniger streng sei der Anspruch auf Kosteneffektivität. Diese eher abstrakten Prinzipien seien später operatio-nalisiert worden, berücksichtigt werden etwa severity of condition (Schwere des Krankheitsbildes), benefit of treatment (Nutzen der Behandlung), evidence (Evidenz), rarity (Seltenheit von Krankheiten). Wichtig sei im schwedischen Gesundheitssystem der Anspruch, explizit und transparent zu priorisieren, führt Sandman aus. Angesichts der dezentralen Struktur gebe es seit einigen Jahren nationale Harmonisierungsbestrebungen, zum Beispiel in Form einer Wissensmanagement-Organisation und eines New Therapies Council. Sandman gehört dem Rat an, der Empfehlungen zu neuen, im Krankenhaus verabreichten Medikamenten heraus-gibt, die insbesondere in finanzieller Hinsicht eine Herausforderung sein können: Should use, can use oder should not use, kann das Urteil der Experten lauten. Negativempfehlungen hätten in letzter Zeit vor allem Orphan Drugs getroffen, was Sandmann mit den als zu hoch empfundenen Preisen der Präparate begründet.

Wie bestimmt man „smarte Ziele“?

In Deutschland tut man sich mit expliziter Priorisierung deutlich schwerer. Ob die kürzlich gestarteten „Klug Entscheiden“-Initiativen von medizinischen Fachgesellschaften daran etwas ändern werden, ist noch nicht absehbar. Die Weltgesundheitsorganisation hat bereits 1980 sogenannte Health Targets formuliert („Health for All by the Year 2000“). Busse betont auf dem Forum, dass die Definition von Versorgungszielen ein mehrstufiger Prozess sei. Wichtige Fragen lauten etwa: Wo stehen wir? Was ist uns wichtig? Der TU-Professor wirbt außerdem dafür, das sogenannte SMART-Schema anzuwenden. Demnach müssen Versorgungsziele specific (spezifisch), measurable (messbar), achievable, (erreichbar), realistic (realistisch) und time-bound (an Zeitpläne gebunden) sein. Die bereits seit Jahren bestehende Initiative gesundheitsziele.de habe dies nicht berücksichtigt. Busse sagt daher: „Wir wollen smarte Versorgungszieledaneben setzen.“ Ihm ist auch die Anschlussfähigkeitder Versorgungsziele wichtig: Er nennt Leitlinien, den Nationalen Krebsplan und die Nationale Diabetes Surveillance. Prof. Edmund Neugebauer, Medizinische Hochschule Brandenburg, ergänzt auf der Konferenz folgenden Aspekt: „Wie soll der Innovationsfonds evaluiert werden, wenn niemand festgelegt hat, welche Ziele bei welchen Erkrankungen erreicht werden sollen?“

Weiterführender Link zu den Vorträgen:
http://www.netzwerk-versorgungsforschung.de/index.php?page=6-dnvf-forum-versorgungsforschung