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Vermeidbares Leid. Gebärmutterhalskrebs tötet in Kenia mehr Frauen als jeder andere Krebs. Die Grundschülerinnen in Kitui, Ostkenia, sind nun durch die von Gavi geförderte HPV-Impfung besser dagegen geschützt.

© KAREL PRINSLOO/GAVI

Krebs verhindern: Eine Impfung lässt hoffen

Um Mädchen vor Gebärmutterhalskrebs zu schützen, impft man nun in Afrika Mädchen gegen Humane Papillomviren (HPV). In Europa und den USA überwiegt dagegen immer noch die Skepsis.

Es ist ein Traum, den Menschen in aller Welt haben: Krebs nicht nur zu behandeln und zu heilen, sondern ihn zu verhindern. Sich mit einer Impfung gegen diese Plage zu schützen, so wie es gegen Kinderlähmung, Diphterie oder Tetanus üblich ist. Der Traum lässt sich heute zumindest teilweise realisieren. Zwar nicht gegen die häufigsten Übeltäter Brust-, Darm-, Prostata- oder Lungenkrebs, aber zur Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs wurde eine solche Impfung entwickelt. Sie beruht auf einer Entdeckung des deutschen Krebsforschers Harald zur Hausen, der dafür mit dem Nobelpreis für Medizin geehrt wurde: Er konnte zeigen, dass bei dieser Krebsform eine Virusinfektion im Spiel ist.

Die Impfung verhindert die Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV) vom Typ 16 und 18. Mit ihnen wird das Immunsystem zwar meist gut fertig, sie verursachen aber auch rund 70 Prozent aller Erkrankungen an Gebärmutterhalskrebs. Die Papillomviren werden beim Geschlechtsverkehr übertragen. Eine andere Variante des Impfstoffs schützt zusätzlich gegen HPV 6 und 11, die Genitalwarzen auslösen können.

Sechs Jahre nach der Einführung der beiden Vakzine in Deutschland startete im Mai eine Impfaktion junger Mädchen in Afrika. In Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk Unicef unterstützt die öffentlich-private Impfallianz „Gavi“ Regierungen auf Antrag beim Kauf der Impfstoffe. Die Allianz, die unter anderem von der „Bill und Melinda Gates“-Stiftung getragen wird und in diesem Jahr auch von der Bundesregierung 30 Millionen Euro bekam, hat bei den Herstellern der beiden Impfstoffe nach eigenen Angaben einen „Rekordtiefpreis“ von 4,50 US-Dollar pro Impfdosis erwirkt. In Kitui County im Osten Kenias sollen nun 20 000 Mädchen zwischen neun und 13 Jahren geimpft werden. Probeläufe sind auch in Ghana, Madagaskar, Malawi, Niger, Sierra Leone und Tansania geplant. Sieben weitere südlich der Sahara werden bald folgen. Es ist eine Großaktion, wenn auch keine Premiere. Denn in Ruanda wurden bereits im Jahr 2011 93 Prozent der Mädchen dieser Altersgruppe geimpft – mit Impfstoff, der direkt vom Hersteller kam.

Die größte Herausforderung für die Länder ist die Logistik. Anders als bei den bisher eingeführten Impfungen bekommen diesmal nicht Babys die Spritzen, die ohnehin mit ihren Müttern in Gesundheitszentren kommen, sondern Schulkinder. In den Programmen, die in Afrika anlaufen, sollen die Impftermine auch als Gelegenheit genutzt werden, um die Pubertierenden über HIV, Kondome und die Pille zu informieren.

Der Gesundheitsforscher und Arzt Wilm Quentin von der TU Berlin hat für eine Studie zusammen mit Kollegen von der London School für Hygiene und Tropenmedizin, der WHO und dem Nationalen Institut für Gesundheitsforschung Tansanias durchgerechnet, welche Kosten dabei entstehen und welche Logistik empfehlenswert ist. Allein die dreimalige Impfung aller jungen Mädchen in einer Region Tansanias würde demnach fast zehn Millionen US-Dollar kosten, schrieben sie im Online-Journal „BMC Medicine“. Da es in armen Ländern bisher kaum Screening-Programme gibt, sei es eine wichtige Public-Health-Aufgabe.

Langzeitergebnisse zur HPV-Impfung liegen noch nicht vor. Daten zehntausender geimpfter Mädchen zeigen allerdings, dass sich bei ihnen deutlich weniger Infektionen und behandlungsbedürftige Vorstufen von Krebs entwickeln. In Australien, wo das HPV-Impfprogramm in Schulen läuft und wo rund 70 Prozent der Mädchen mitmachen, kann man drei Jahre nach Einführung der Impfung erste Erfolge beobachten. Es bilden sich 40 Prozent weniger Krebs-Vorstufen.

Auch Genitalwarzen sind dort seit Einführung der Impfung seltener geworden. Das zeigt eine Studie mit über 85 000 Frauen, die zwischen 2004 und 2011 eines der Zentren für sexuelle Gesundheit des Landes aufsuchten. Die Ergebnisse wurden im April im „British Medical Journal“ veröffentlicht. Im Jahr 2011 wurden demnach bei keiner Geimpften unter 21 Jahren Genitalwarzen diagnostiziert, aber bei sieben Prozent der Ungeimpften. Auch junge heterosexuelle Männer hatten weniger Warzen. Es könnte also den Schutz für beide Geschlechter erhöhen, auch halbwüchsige Jungen zu impfen, hieß es in einem Kommentar. Ähnliche Ergebnisse kamen einen Monat zuvor aus Schweden, wo seit 2007 Mädchen zwischen zehn und zwölf in der Schule geimpft werden.

Weltweit ist Gebärmutterhalskrebs nach Brustkrebs die zweitwichtigste Ursache für den Krebstod von Frauen. Eine halbe Million Frauen bekommen jedes Jahr diese Diagnose, 275 000 sterben jedes Jahr, 85 Prozent von ihnen in armen Ländern, wo Früherkennung und Behandlung oft deutlich schlechter sind als in reicheren Ländern. In Deutschland erliegen ebenfalls jährlich rund 1600 Frauen dem Leiden. Die WHO empfiehlt, alle Mädchen zwischen neun und 13 Jahren zu impfen.

Ehrgeiziges Ziel von Gavi und Unicef ist es, dass im Jahr 2020 30 Millionen Mädchen in mehr als 40 Ländern den Impfschutz haben. Während die Einführung in einkommensschwachen Ländern Afrikas nun vorangetrieben wird, gibt es in einigen wohlhabenden Ländern Vorbehalte. In Deutschland, wo die Impfung aller 12- bis 17-jährigen Mädchen seit 2007 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen und von den Kassen bezahlt wird, gab es im Jahr nach deren Einführung heftigen Streit um das Kosten-Nutzen-Verhältnis und die bisher fehlenden langfristigen Daten. Mit rund 450 Euro ist die Dreimalimpfung hierzulande besonders teuer. Nach Informationen der Deutschen Krebsgesellschaft ist andererseits die Impfrate mit 35 bis 40 Prozent besonders niedrig.

Auch in den USA stehen die Eltern Heranwachsender der HPV-Impfung skeptisch gegenüber, schrieb ein amerikanisches Forscherteam in der Fachzeitschrift „Pediatrics“. Zwei von fünf Erziehungsberechtigten hielten sie für unnötig. Die Zahl der Eltern, die ihre Kinder nicht zur Impfung schicken wollen oder Nebenwirkungen befürchten, stieg in den letzten Jahren an. Praktisch alle Befragten hatten dagegen dafür gesorgt, dass ihre Kinder das volle Impfprogramm gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten oder gegen Meningokokken durchlaufen hatten. Gegen die HPV-Impfung spricht nach Aussagen vieler Eltern, dass sie ihre Tochter für zu jung dafür halten: Schließlich sei sie doch noch nicht sexuell aktiv. Genau das ist aber der Clou der Impfung: Sie kommt jeder Chance zur Infektion zuvor.

Erste Studienergebnisse deuten darauf hin, dass sie auch Frauen nützen könnte, die bereits infiziert sind. Andere Tests lassen hoffen, dass schon zwei Impfdosen einen ausreichenden Schutz bieten würden. Das wäre eine gute Nachricht – nicht allein für Afrika.

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