In deutschen Kliniken füllen Ärzte die Krankenhausbetten zunehmend selbst mit Patienten – indem sie Besucher der Notaufnahmen weiter stationär behandeln, obwohl dies gar nicht notwendig wäre. Nach Recherchen der „Welt am Sonntag“ geschieht dies vor allem in solchen Krankenhäusern, die Probleme haben, ihre Stationen zu füllen.
Laut Gesundheitsökonomen ist dies der Hauptgrund, warum die Zahl der Krankenhausbehandlungen in den vergangenen fünf Jahren um rund sechs Prozent zulegte. „Die deutschen Krankenhäuser rekrutieren einen immer größeren Teil ihrer Patienten selbst“, sagt Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin.
Notaufnahme-Ärzte berichteten gegenüber der „Welt am Sonntag“ aus ihrem Arbeitsalltag, sie würden von der Geschäftsführung ihrer Klinik regelmäßig dazu angehalten, Patienten mit unklarer Diagnose im Zweifelsfall stationär aufzunehmen. Auf diese Weise verdienen die Kliniken deutlich mehr Geld: Anstatt etwa für einen Patienten, der mit Magenschmerzen in die Notaufnahme kommt, knapp 20 Euro für eine ambulante Untersuchung abrechnen zu können, bekommen die Kliniken für eine stationäre Aufnahme mehr als 1000 Euro.
„Was hat er noch, was könnte ich operieren?“
Gesundheitsökonom Busse schätzt, dass diese Fehlanreize im Gesundheitssystem pro Jahr mindestens acht Milliarden Euro an unnötigen Kosten verursachen. Von 2006 bis 2014 sei laut Daten des Statistischen Bundesamts die Zahl jener Patienten, die direkt aus Notaufnahmen stationär aufgenommen wurden, um 42 Prozent gestiegen. Besonders auffällig sei demnach der Anstieg bei jenen, die weniger als 72 Stunden blieben.
Der Gesundheitsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, sagte, dieses Vorgehen vieler Krankenhäuser sei mittlerweile „regelrecht ausgeartet". „Zum Beispiel bei der Diagnose Herzinfarkt: Ich sehe bei der Untersuchung, der Patient hat gar keinen Infarkt, behalte ihn aber trotzdem da.“
Einige Krankenhäuser, so Lauterbach, gingen über dieses Vorgehen sogar noch hinaus: „Ist der Patient einmal aufgenommen, gucken die Fallmanager: Was hat er noch, gibt es etwas, was ich operieren könnte, während er hier ist – etwa ein Knie?“