Dritte Welle schwemmt Corona-Kranke auf die Intensivstation

Droht unserem Gesundheitssystem bald der Kollaps?

31.03.2021, Sachsen, Leipzig: Auf der Covid-19-Station, einem Bereich der Operativen Intensivstation vom Universitätsklinikum Leipzig, bereiten eine Ärztin (l) und eine Schwester einen Patienten für eine Untersuchung vor. Auf der Intensivstation wäch
Droht uns in der dritten Welle der Kollpas?
wg axs, dpa, Waltraud Grubitzsch

von Maximilian Storr

Zur Zeit landen immer mehr Corona-Kranke in Deutschland auf der Intensivstation. Experten warnen, dass das Gesundheitssystem schon bald an seine Grenzen stoßen könnte, wenn jetzt nicht konsequent gehandelt werde. Doch es gibt auch die Gegenposition. In deutschen Krankenhäusern werden viel mehr Corona-Infizierte auf der Intensivstation behandelt als in anderen europäischen Ländern. Was hat es denn nun mit den Zahlen auf sich?

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Aktuelle Corona-Infektionszahlen: DIVI-Chef Karagiannidis schlägt Alarm

„Liebe Entscheidungsträger, wie hoch sollen die Zahlen denn noch steigen, bevor ihr reagieren wollt?“ Dr. Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregister, schlägt in den sozialen Netzwerken Alarm. Der Grund: Die Intensivstationen in Deutschland füllen sich rasant. Gestern meldete das DIVI-Intensivregister 4.474 Fälle. Tendenz stark steigend. Droht uns in den kommenden Wochen der Kollaps des Gesundheitssystems?

++++ Düstere Prognose: Ohne Lockdown bis zu 200.000 zusätzliche Tote ++++

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Intensivstationen: Tausende Betten sind noch frei

Reinhard Busse ist Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin. Er glaubt nicht daran, dass die Versorgung in Deutschland zusammenbrechen könnte: „Wir haben in Deutschland einschließlich Reserve circa 37.000 Intensivbetten zur Verfügung. Davon sind derzeit 16.000 von Nicht-Covid-Patienten belegt.“ Damit blieben derzeit genügend Betten für Corona-Intensivpatienten frei. Vielleicht sogar zu viele? Busse hat Erstaunliches festgestellt.

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Viel mehr Corona-Behandlungen auf deutschen Intensivstationen

In der zweiten Welle wurden laut Busse von Oktober bis Dezember in Deutschland 1,6 Prozent aller positiv Getesteten auf eine Intensivstation eingeliefert, in den Niederlanden und Großbritannien waren es dagegen nur 0,5 Prozent, in Spanien 0,4 Prozent und in Dänemark nur 0,3 Prozent. In Deutschland werden also im Vergleich zu Dänemark fünfmal so viele Menschen auf einer Intensivstation behandelt. Gleichzeitig gibt es in Dänemark aber keine höheren Sterbezahlen. Warum ist das so?

Krankenhäuser und Kliniken: Behandlungsweltmeister Deutschland

In Deutschland sind mehr ältere Menschen auf einer Intensivstation behandelt worden als in anderen Ländern, wo Patienten weniger invasiv betreut würden, vermutet Busse. Wie man da verfahre, sei auch eine ethische Frage. Er sieht im deutschen Gesundheitssystem aber eher ein anderes, grundsätzliches Problem: „Wir behandeln im Durchschnitt 50 Prozent mehr stationäre Fälle als unsere Nachbarländer. Wir haben in Deutschland viel zu viele Krankenbetten. Dies gilt grundsätzlich auch für Intensivstationen. Und jedes Bett will gefüllt werden.“

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie aus dem Jahr 2019. Eine bessere Versorgung sei mit nur halb so vielen Kliniken möglich, hielten die Autoren Dr. Stefan Loos und Dr. Martin Albrecht fest. Das deutsche Gesundheitssystem bräuchte also einen strukturellen Wandel, um besser und zugleich effizienter zu werden und weniger Patienten zu behandeln.

Lockdown ist nicht unnötig

Trotz der hohen Anzahl an Behandlungsmöglichkeiten hält Busse einen Lockdown aber keinesfalls für unnötig: „Wir müssen die Infektionszahlen drücken, nicht weil wir nicht genug Betten haben, sondern weil die Krankheit eine vermeidbare Belastung für die Patienten ist.“ Letztes Jahr seien in Deutschland 1/3 der intensivbehandelten Covid-Patienten verstorben. Schon alleine deshalb sei es wichtig, die Zahlen möglichst niedrig zu halten.