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18.06.2020

Finanzierung und Organisation der Kliniken im Falle einer Pandemie

Die plötzliche Vorbereitung im Kliniksektor auf die SARS-CoV-2-Pandemie war eine Operation am offenen Herzen des deutschen Gesundheitssystems. In den meisten Krankenhäusern wurden auf Weisung des Bundesgesundheitsministeriums alle Behandlungen und Operationen abgesagt, die nicht dringend notwendig waren. Die Folgen waren auf mehreren Ebenen erheblich: Viele Patienten mit anderen Erkrankungen konnten über viele Wochen nicht oder nur sehr eingeschränkt behandelt werden. Zudem war die bisherige Finanzierung der Krankenhäuser auf eine solche Situation nicht ausgerichtet, schnell mussten zusätzliche Gelder vom Bund bewilligt werden.

Inzwischen kehren die Krankenhäuser nach und nach zur Normalität zurück. Unter den Akteuren des Gesundheitssystem haben kontroverse Diskussionen begonnen, wie unser Krankenhaussystem auf die nächste mögliche COVID-19-Welle oder eine neue Pandemie vorbereitet sein sollte – und wie das zu finanzieren ist. Über die finanzielle Unterstützung der Kliniken im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie wird auch am 22. Juni 2020 der Fachbeirat des Bundesgesundheitsministeriums konferieren. Das Gremium besteht aus Vertretern der Krankenhäuser, der gesetzlichen Krankenkassen und Wissenschaftlern. Er wurde Ende April gemäß Paragraph 24 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) eingerichtet.

Die Redaktion des SMC hat Ärzten und Wissenschaftlern – darunter zwei Mitgliedern des Fachbeirates – folgende Fragen gestellt:

1. Sollten bei einer nächsten COVID-19-Welle oder einer neuen Pandemie grundsätzlich alle Krankenhäuser Pandemie-Patienten versorgen oder nur ausgewählte? Welche?

2. Wie sollte die Krankenhauslandschaft organisiert sein, damit im Falle einer Pandemie auch Patienten mit anderen Erkrankungen weiter behandelt werden können?

3. Wie sollten Kliniken auf eine mögliche nächste COVID-19-Welle oder eine neue Pandemie vorbereitet sein? Sollten die Kliniken ein bestimmtes Kontingent ihrer Kapazitäten grundsätzlich freihalten? Oder sollten gegebenenfalls sogar neue Strukturen geschaffen werden? 

4. Müsste das Vergütungssystem verändert werden, damit die Kliniken Kapazitäten für Pandemien vorhalten können? Und wenn ja: wie?


Übersicht

     

  • Prof. Dr. Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen, TU Berlin, und Co-Direktor des European Observatory on Health Systems and Policies, Mitglied des Fachbeirates des Bundesgesundheitsministeriums
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  • Prof. Dr. Max Geraedts, Leiter des Instituts für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Fachbereich Medizin, Philipps-Universität Marburg
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  • Prof. Dr. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), und Chefarzt/Sektionsleiter Intensivmedizin, St.-Antonius-Hospital, Eschweiler
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  • Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing
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  • Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereiches „Gesundheit“, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen, Mitglied des Fachbeirates des Bundesgesundheitsministeriums
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Statements der Experten zu den Fragen

1. Sollten bei einer nächsten COVID-19-Welle oder einer neuen Pandemie grundsätzlich alle Krankenhäuser Pandemie-Patienten versorgen oder nur ausgewählte? Welche?


Prof. Dr. Reinhard Busse


„Wie bei jeder anderen schweren Erkrankung sollten nur solche Krankenhäuser die Patienten behandeln, die über die entsprechende technische und personelle Ausstattung verfügen – was wir ja leider bei anderen Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs auch nicht umsetzen.“ 

„Der Zustand eines COVID-19-Patienten kann sich schnell verschlechtern. Wegen der hohen Zahl an Patienten, die im Laufe der Erkrankung beatmungspflichtig werden, kommen nur Krankenhäuser mit genügend großen Intensivstationen in Frage. Das verhindert unnötige Transporte in ein anderes Krankenhaus, die nur mit zusätzlichen Risiken für Patient und Personal möglich sind. Da COVID-19 viele Organe betrifft, sollte die Intensivstation über entsprechend interdisziplinär orientierte Intensivmediziner verfügen. Weil COVID-19-Patienten zudem infektiös und andere Patienten per definitionem ‚Risikopatienten‘ für COVID-19 sind, sollten genügend Krankenhäuser ausschließlich für Nicht-COVID-19-Patienten genutzt werden, um diese nicht unnötig zu gefährden.“ 

Prof. Dr. Max Geraedts


„Auch bei der ersten Welle haben ja nur bestimmte Krankenhäuser tatsächlich die beatmungspflichtigen Patienten behandelt. So sollte es auch sein. Die Behandlung dieser schwer kranken Patienten sollte in spezialisierten Einrichtungen erfolgen, die vorab dafür benannt und selbstverständlich auch entsprechend ausgestattet sein müssen.“

Prof. Dr. Uwe Janssens


„Wünschenswert wäre es, wenn es ein bundeseinheitliches Konzept hierfür gäbe. Zum jetzigen Zeitpunkt scheinen die einzelnen Länder unterschiedliche Konzepte zu verfolgen. Da nicht genau vorherzusehen ist, in welchem Bundesland oder welcher Region im Falle einer zweiten oder dritten Welle sogenannte Hotspots auftreten, sollten prinzipiell alle Krankenhäuser darauf vorbereitet sein, dass möglicherweise rasch viele Patienten behandelt werden müssen. Dennoch sollten klare Absprachen innerhalb der einzelnen Regionen bestehen, auf welcher Krankenhausversorgungs-Stufe COVID-19-Patienten versorgt werden sollen. Auf einer ersten Stufe sind die Krankenhäuser der Maximalversorgung zu nennen (Level 1). Sie verfügen über alle Möglichkeiten der intensivmedizinischen Versorgung von COVID-19-Patienten. Damit ist insbesondere die ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung, intensivmedizinische Technik, bei der eine Maschine die Lungenfunktion übernimmt, Anm. d. Red.) gemeint. Dahinter geschaltete Zentren auf der zweiten Ebene (Level 2) sind in der Lage, alle nichtinvasiven und invasiven Beatmungsformen und die damit verbundenen differenzierten Techniken anzuwenden, ebenso die Organersatztherapie bei Nierenversagen. Auf der dritten Ebene (Level 3) sollten Krankenhäuser angesiedelt sein, die sich gegebenenfalls um nicht COVID-19-Patienten kümmern. Dennoch kann nie ausgeschlossen werden, dass auch in diesen Kliniken Patienten mit noch nicht erkannter Erkrankung beziehunsgweise Infektion aufgenommen werden. Vor diesem Hintergrund müssen Krankenhäuser jedweder Ebene (Level 1, Level 2 sowie Level 3) über entsprechende Konzepte zur Seuchenhygiene verfügen.“

„Prinzipiell sollten die Zentren der Maximalversorgung und die Krankenhäuser der Level 2 und 3 auf regionaler Ebene ein eng abgestimmtes Konzept vereinbaren, damit im Falle einer erneuten Pandemie oder einer erheblichen sogenannten ‚zweiten Welle‘ die Patienten optimal versorgt werden können.“

Prof. Dr. Clemens Wendtner


„Der Versorgungsauftrag muss von allen Kliniken gemeinsam geschultert werden, auch im Falle einer erneuten Pandemie. Dabei sind akademische Zentren genauso gefordert wie reine Versorgungskrankenhäuser, egal ob in öffentlicher oder privater Trägerschaft.“

Prof. Dr. Boris Augurzky


„Zurzeit stehen wir bei dieser Frage noch am Anfang. Wir beginnen gerade, gemeinsam mit weiteren Experten darüber nachzudenken, wie man diese Aufgabe lösen kann – kurzfristig und langfristig.“

„Grundsätzlich muss man sagen: Jedes Krankenhaus hat im Moment natürlich das Problem, dass sie möglicherweise Menschen mit unerkannten COVID-19-Infektionen aufnehmen. Und wenn das so ist, stellt sich die Frage: Würde dann das Krankenhaus selbst den Patienten behandeln – oder ihn weiterverlegen? Es ist zumindest aktuell so, dass kein Krankenhaus vollständig um die COVID-19-Problematik herumkommt.“ 

„Grundsätzlich macht es Sinn, wenn man Kliniken definiert, die speziell für COVID-19-Patienten zuständig sind. Das könnte man gut auch regional organisieren. Es muss nicht von Berlin oder von den Bundesländern aus für die gesamten Länder exakt festgelegt werden, welche Klinik genau was macht.“ 

„In jeder Region sollte es ein Krankenhaus geben, das speziell als COVID-19-Klinik ausgewiesen ist. Diese Klinik muss selbstverständlich genügend Intensiv-Kapazitäten haben. Also ist diese Klinik in den meisten Fällen ein Maximalversorger, zumindest für die schweren Fälle. Für die leichteren Fälle kann man dann separat weitere Krankenhäuser festlegen. Grundsätzlich sollte man auch bedenken: Es kann immer passieren, dass in einem Krankenhaus plötzlich eine Infektion unter den Mitarbeitern ausbricht. Dann muss man vielleicht Teile der Klinik schließen. Für solche Situationen braucht man einen Plan B. Man sollte dementsprechend eine Art Kaskaden-Modell aufbauen, das festlegt: Welche Klinik ist die erste in der Kette, welche die zweite und so weiter.“

„Die Frage ist allerdings: Wer möchte COVID-19-Haus werden? Wenn man jetzt in die Runde sagen würde: ‚Freiwillige bitte vor!‘ - dann hängt das Engagement der Kliniken sicher von zwei Faktoren ab. Zum einen davon, wie hoch die Vergütung für die COVID-19-Patienten ausfällt. Zum anderen stellen sich die Kliniken aber auch die Frage: Was passiert mit meinem COVID-19-Krankenhaus, wenn die Pandemie zu Ende ist? Ich habe viele Betten freigehalten. Eine Menge Patienten mit anderen Erkrankungen sind nicht zu mir gekommen – sondern sind woanders hingegangen, vielleicht zu Wettbewerbern. Und diese neuen ‚Patienten-Pfade‘ könnten sich schlimmstenfalls auch verfestigen. Die Befürchtung wird also sein, dass ich als Krankenhaus, das in der Pandemie das große COVID-19-Zentrum war, danach plötzlich mit leeren Betten dastehe. Vielleicht habe ich sogar paradoxerweise ein Negativ-Image; die Patienten fürchten, dass sie sich anstecken könnten - und ich habe einen Wettbewerbsnachteil. Das muss man sich klarmachen, denn wenn man einfach festlegt, wer nun COVID-19-Zentrum werden soll, dann könnte es Probleme geben. Es ist immer besser, wenn das auf Freiwilligkeit beruht.“ 

„Ideal für eine Funktion als Zentrum für COVID-19-Patienten wäre ein Krankenhaus im Rahmen eines Verbundes, der mehrere Kliniken umfasst. Diese könnten ein COVID-19-Haus für ihren Verbund definieren, während die anderen Kliniken des Verbundes andere Patienten behandeln. Dann würden die Patienten nur intern umgeleitet. Wenn dann die eine Klinik ‚gewinnt‘ und die andere ‚verliert‘, bleibt beides im Verbund.“ 

„Ich hatte neulich vorgeschlagen, dass man auch eine Ausschreibung machen könnte. Man könnte sagen: Wir wollen in einer Region, die aus ein oder zwei Landkreisen bzw. kreisfreien Städten besteht, immer ein COVID-19-Zentrum festlegen, und man kann sich darauf bewerben. Verschiede Krankenhäuser aus der Region machen ein Angebot und sagen, was sie brauchen, um die Aufgabe zu übernehmen. Anschließend kann die Region entscheiden, welchen der Bewerber sie sich aussucht. Der Grundgedanke ist der: Wenn einer sich freiwillig meldet, wäre das gut – und dieses Krankenhaus soll natürlich auch keinen Schaden davon haben.“ 

2. Wie sollte die Krankenhauslandschaft organisiert sein, damit im Falle einer Pandemie auch Patienten mit anderen Erkrankungen weiter behandelt werden können?


Prof. Dr. Reinhard Busse


„An der ‚Spitze‘ sollten sich ausgewählte Krankenhäuser befinden, die als Level 1-Zentren über besondere Expertise und Ausstattung wie zum Beispiel ECMO verfügen. Davon bräuchte man nicht mehr als zehn. Diese sollten die anderen Krankenhäuser, die COVID-19-Patienten behandeln, telemedizinisch unterstützen. Auf Level 2 bräuchte man maximal 400 Krankenhäuser, die über personell und technisch gut ausgestattete Intensivstationen verfügen. Dann würde jedes dieser Krankenhäuser bei einer zweiten COVID-19-Welle (mit dem Ausmaß der ersten Welle) im Schnitt drei COVID-19-Erkrankte pro Tag auf der Normalstation und einen COVID-19-Patienten auf der Intensivstation aufnehmen. Level 3-Krankenhäuser, also weitere Krankenhäuser mit Intensivstationen, sollten sich auf andere Patienten konzentrieren und nur im äußersten Notfall auch COVID-19-Patienten aufnehmen. Krankenhäuser ohne Intensivstationen sollten überhaupt keine Rolle in der COVID-19-Versorgung spielen.“

Prof. Dr. Max Geraedts


„Nur spezialisierte Einrichtungen sollten COVID-19-Patienten behandeln. Daraus ergibt sich, dass viele andere Krankenhäuser da sind, die andere Patienten behandeln können: Diejenigen, die nicht einer hochspezialisierten Behandlung bedürfen. Trotzdem ist es weiterhin notwendig, die Versorgung viel stärker regional zu strukturieren und die Zuständigkeiten der Kliniken für die unterschiedlichen Erkrankungen vorab zu definieren. Trotz der Erfahrungen mit SARS-CoV-2 bleibt eine Verringerung der Krankenhaus-Standorte in Deutschland, die vor der Pandemie immer wieder von Wissenschaftlern und Ärzten gefordert wurde, aus Gründen der Qualität weiterhin notwendig – und zwar um genügend Personal und genügend Expertise an den verbleibenden Krankenhäusern konzentrieren zu können. Dabei geht es vor allem darum, jedes Krankenhaus mit der Technik und dem Personal auszustatten, die eine Versorgung typischer häufiger Notfälle – wie Schlaganfälle und Herzinfarkte – rund um die Uhr ermöglichen. Gleichzeitig müssten diese Krankenhäuser genügend dieser Patienten-Fälle aufweisen, um eine Routine in der Versorgung zu erhalten. Genau das lässt sich mit vielen kleinen Krankenhäusern nicht darstellen. Darüber hinaus brauchen wir eine stärkere Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors, um mehr Fälle ambulant versorgen zu können.“

Prof. Dr. Uwe Janssens


„In der Organisation der Krankenhauslandschaft gibt es sicherlich unterschiedliche Ansatzpunkte. Zentren der Maximalversorgung – zum Beispiel Universitätsklinika – müssen prinzipiell in der Lage sein, Patienten mit COVID-19 und andere Patienten zu versorgen. Dazu müssen entsprechende Bereiche ausgewiesen werden. Für die übrigen Kliniken existieren bisher keine eindeutigen Pläne, welche für bestimmte andere Erkrankungen (nicht COVID-19) zuständig sein sollen und wie die strukturierte Zuweisung der Patienten organisiert werden sollte. Ich befürchte, dass aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausrichtung der einzelnen Krankenhäuser und der verschiedenen Trägerschaften eine homogene und verbindliche Lösung sehr schwierig sein wird. Die Bundesländer müssen entsprechende Krankenhauspläne für die Zukunft aufbauen, die dem erneuten Auftreten einer Pandemie Rechnung tragen. Es bleibt zu befürchten, dass aufgrund der föderalen Struktur auch dabei wieder jedes Bundesland seinen eigenen Weg gehen wird.“

Prof. Dr. Clemens Wendtner


„Entscheidend ist, dass gewisse Strukturen im deutschen Krankenhaussystem aus der jetzigen Pandemiephase auch künftig übernommen werden sollten. Das medizinische System in Deutschland hat die derzeitige COVID-19-Pandemie im internationalen Vergleich gerade wegen und nicht trotz gewisser Reservekapazitäten sehr gut gemeistert. Darauf dürfen wir alle auch ein bisschen stolz sein. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern – wie zum Beispiel Italien, das eine fast ähnliche Einwohnerzahl wie Deutschland hat – haben wir circa fünffach höhere Intensivbettenkapazitäten, die wir nutzen konnten.“

„Gerade die Intensivbetten müssen aber nicht nur erhalten, sondern im Sinne einer Vorhaltung für kommende Pandemien weiter ausgebaut werden, da hier schnell in der Versorgung kritisch kranker Patienten ein Flaschenhals entstehen kann. Zusätzlich muss jedem klar sein, dass auch im 21. Jahrhundert die klinische Infektiologie eine wichtige Disziplin im Fächerkanon der Medizin darstellt, die weiter gefördert werden muss. Es waren zunächst große infektiologische Schwerpunktzentren in Deutschland, die als Bollwerk in der Pandemie einen entscheidenden Beitrag zur Isolierung beziehunsgweise medizinischen Versorgung von COVID-19-Patienten geleistet haben. Gerade diese infektiologischen Schwerpunktzentren können andere Kliniken entlasten, damit die adäquate Versorgung aller Patienten reibungslos fortgeführt werden kann - also auch der Patienten, die keine infektiologische Erkrankung haben.“ 

Prof. Dr. Boris Augurzky


„Wenn wir – wie oben diskutiert – ein COVID-19-Krankenhaus pro Region hätten, und alle anderen Kliniken könnten das normale Programm aufrechterhalten, hätten wir für diese Frage eine Lösung. Dann gehen Patienten mit anderen Erkrankungen vorzugsweise in die anderen Krankenhäuser. Aber: Wenn nun das COVID-19-Zentrum vielleicht ein ganz großer Maximalversorger mit tausend Betten ist, wird er vermutlich auch das normale Geschehen bearbeiten müssen. Sonst hat er voraussichtlich fast nichts mehr zu tun. Zudem ist die Klinik ja nicht umsonst Maximalversorger: Dort steht eine hohe Expertise bereit, und es wäre schade, wenn diese nicht mehr genutzt werden könnte. Man wird daher in einem solchen Krankenhaus zwei getrennte Bereiche haben: In einem Bereich werden die COVID-19-Patienten behandelt und versorgt. In einem anderen Bereich kann das COVID-19-Zentrum auch Patienten mit anderen Erkrankungen behandeln.“

3. Wie sollten Kliniken auf eine mögliche nächste COVID-19-Welle oder eine neue Pandemie vorbereitet sein? Sollten die Kliniken ein bestimmtes Kontingent ihrer Kapazitäten grundsätzlich freihalten? Oder sollten gegebenenfalls sogar neue Strukturen geschaffen werden?


Prof. Dr. Reinhard Busse


„Durch die Bilder aus Bergamo in der italienischen Lombardei und New York ist – nicht zuletzt durch die Medien – auch in Deutschland der Eindruck entstanden, dass Krankenhäuser im Rahmen der COVID-19-Epidemie besonders wichtig sind. Dabei wurde übersehen, dass zwar in der Lombardei jeder zweite COVID-19-Patient stationär aufgenommen wurde, in der benachbarten Region Veneto mit ebenfalls hohen Fallzahlen aber nur jeder fünfte, also vier von fünf Patienten ambulant versorgt wurden. Dies entspricht auch der Situation in Deutschland, wo nur jeder fünfte infizierte Patient stationär aufgenommen wurde – und von diesen wiederum jeder dritte auf der Intensivstation (insgesamt also einer von 15). Dass Deutschland die Situation vergleichsweise gut gemanagt hat, liegt primär nicht daran, dass die Krankenhäuser erfolgreich behandelt haben, sondern daran, dass wir die Patienten, die nicht unbedingt stationär behandelt werden mussten, von den Krankenhäusern ferngehalten haben – unter anderem durch das Testen im ambulanten Sektor, während zum Beispiel in Frankreich initial etwa 80 Prozent der Tests in Krankenhäusern durchgeführt wurden.“

„Auf dem Höhepunkt der Epidemie – vom 31. März bis zum 3. April – gab es in Deutschland pro Tag sieben Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, also absolut knapp 6.000 pro Tag – übrigens genau die Zahl, die jetzt als kritischer Wert für Landkreise definiert wurde. Mit entsprechender zeitlicher Verzögerung haben also die neuen Fälle täglich zu 1200 stationären Aufnahmen von COVID-19-Patienten geführt. Das heißt bei 1400 Akut-Krankenhäusern: weniger als eine Neuaufnahme pro Klinik und Tag. Von diesen Neuaufnahmen wurden wiederum 400 pro Tag intensivpflichtig. Das war bei 1200 Krankenhäusern mit Intensivstationen im Schnitt dementsprechend jeden dritten Tag eine Neuaufnahme pro Klinik. Berechnet man ein, dass die durchschnittliche Verweildauer eines COVID-19-Erkrankten im Krankenhaus bei rund zehn Tagen lag beziehunsgweise liegt (auf Intensivstation länger), so ergibt sich, dass COVID-19-Patienten auf dem Höhepunkt der Epidemie zwei Prozent aller normalen Krankenhausbetten und zehn Prozent der Intensivbetten genutzt haben.“

„Aus den oben genannten Zahlen wird deutlich, dass auf dem Höhepunkt der ersten Pandemie-Welle maximal zwei Prozent der normalen Krankenhausbetten und zehn Prozent der Intensivbetten für COVID-19-Patienten genutzt wurden. Dies ist allerdings ein bundesweiter Durchschnittwert, regional gab es höhere Zahlen – und darauf müssen wir auch für eine mögliche zweite Welle gefasst sein. Konkret bedeutet dies, dass wir regelmäßig regionale Daten brauchen, aus denen dann der sich abzeichnende Bedarf errechnet wird – und dann entsprechend freigehalten werden sollte. Die Faustregel dafür lautet: Pro zehn Neuinfektion am Tag brauche ich ungefähr zwei freie Krankenhausbetten und 0,7 Intensivbetten. Diese Kapazitäten sollten von den Level-1 und Level-2-Zentren vorgehalten werden, die übrigen 1000 Krankenhäuser bräuchten keine Betten vorzuhalten.“

Prof. Dr. Max Geraedts


„Die Vorbereitung für die potenzielle nächste COVID-19-Welle – oder das Auftreten einer anderen Pandemie – besteht vor allem darin, vorab zu überlegen: Wer ist wofür zuständig und wie geht man mit Pandemie-Patienten um? Die Abläufe müssen vorher trainiert werden und regelmäßig wiederholt werden. Ständig Kapazitäten freizuhalten, ist meines Erachtens unvernünftig und unnötig. Es muss nur geklärt werden, wer kurzfristig Kapazitäten schaffen kann. Dazu ist die Kenntnis der Verfügbarkeit von Kapazitäten auf regionaler Ebene zu stärken. Solange wir noch nicht in der Lage sind, auf der Basis einer umfassenden Digitalisierung von den einzelnen Kliniken dezentral diese Daten abrufen zu können, würde ich für eine kontinuierliche Meldung an die Gesundheitsämter plädieren, die damit ihrer eigentlich schon definierten Aufgabe des Monitorings der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung in verstärktem Maße nachkommen könnten. Dazu muss der öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt werden. Zudem sind auch neue Strukturen zu schaffen, die Reserve-Ausrüstung vorhalten: Also eine zentrale oder regionale Vorhaltung von Schutzausrüstung, Betten und ständig gewarteten Beatmungsgeräten. Damit könnte man zum Beispiel beim Massenanfall von Erkrankten Notkrankenhäuser ausstatten – wie auf dem Höhepunkt der COVID-19-Pandemie in Berlin im Kongresszentrum geschehen.“

Prof. Dr. Uwe Janssens


„Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch klare Vorgaben aus dem Bundesgesundheitsministerium, dass die Krankenhäuser ein bestimmtes Kontingent an Intensivkapazitäten freihalten sollen. Es wird aber zu überlegen sein, wie man zukünftig solche Kontingente dauerhaft freihalten kann und wie diese Kontingente dann finanziert werden.“ 

„Die Corona-Pandemie hat eindeutig gezeigt, dass erstens die Kliniken relativ zügig in der Lage waren, Kapazitäten umzudenken und für die Versorgung von COVID-19-Patienten zur Verfügung zu stellen – zum Beispiel dadurch, dass elektive Operationen (Operationen, die nicht dringlich sind; Anm. d. Red.) abgesagt oder in andere Kliniken umgelenkt wurden. Zweitens wurde deutlich, dass sich auch die übrigen Strukturen sowohl im prästationären als auch im stationären Bereich relativ zügig auf die Notlage eingestellt haben. Der Aufbau von Notkrankenhäusern hingegen (zum Beispiel in Berlin) mag als Konzept zunächst vernünftig sein, dennoch ist bis zum jetzigen Zeitpunkt unklar, mit welchem Personal (Pflegepersonal, Ärzte) solche Strukturen zukünftig besetzt werden sollen und ob diese langfristig überhaupt aufrechterhalten werden können.“

„Wichtig scheint zu diesem Zeitpunkt besonders, wie man zukünftig die ambulanten und stationären Strukturen finanzieren wird, die für weitere Pandemien vorgehalten werden sollen. Ein gutes Beispiel ist die jetzt heftige Diskussion um die Finanzierung der PCR-Testungen auf SARS-CoV-2, die offensichtlich noch nicht endgültig geklärt ist. Ebenfalls sollte definitiv geklärt werden, wie zukünftig die Bereitstellung und vor allem die Finanzierung von persönlicher Schutzausrüstung sichergestellt wird.“

Prof. Dr. Clemens Wendtner


„Kliniken sollten für eine künftige Pandemie mit einer gewissen Resilienz ausgestattet sein: Neben einer Bettenauslastung, die nicht an die Kapazitätsgrenze gehen darf, müssen auch beim Personal Reservekapazitäten geschaffen werden. Die Vorhaltung einer Pandemiestation im Sinne eines Krankenhauses im Krankenhaus ist für wenige Schwerpunktzentren eine weitere Option. Dies muss selbstverständlich gegenfinanziert werden, da nicht die Kliniken, die sich gerade in Pandemiezeiten personell und budgetär bis dato verausgabt haben, die Verlierer des Systems sein dürfen. Es braucht Betrauungsakte (die Übertragung einer sogenannten „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ durch öffentliche Hoheitsakte an ein Krankenhaus, die Ausgleichszahlungen von der öffentlichen Hand an das Krankenhaus ermöglicht. Anm. d. Red.) für diese Schwerpunktzentren, die nicht nur eine Daseinsvorsorge und -fürsorge leisten, sondern in pandemischen Zeiten auch einen wichtigen Beitrag zum Bevölkerungsschutz leisten.“

Prof. Dr. Boris Augurzky


„Das ist auch eine Frage, über die wir uns noch genauer Gedanken machen müssen. Man könnte festlegen, dass die Krankenhäuser ein gewisses Kontingent an zusätzlichen Kapazitäten für alle Fälle bereithalten. Dieses muss auch finanziert werden. Aber in welchem Umfang das Sinn macht, müssen wir diskutieren. Bislang hatten die Kliniken im Schnitt eine Auslastung von 80 Prozent. Sollen wir nun so steuern, dass künftig nur noch 70 Prozent der Betten ausgelastet sind, um einen Puffer für COVID-19-Fälle zu haben? Das müssen wir prüfen und dazu vielleicht auch Simulationen durchführen: Was passiert, wenn eine Pandemie stattfindet? Was, wenn manche Krankenhäuser ausfallen, weil ihr Personal infiziert ist? Wie viel Puffer sollten wir vorhalten? Welchen Nutzen habe ich von diesem Puffer? Welche Kosten entstehen dadurch? Und welche Kosten bin ich bereit, für diese Vorhaltekontingente zu bezahlen? Wir hatten vor hundert Jahren die letzte große Pandemie. Will man die Kontingente hundert Jahre lang jedes Jahr vorhalten, bis es dann wieder so weit ist? Aber natürlich kann uns auch in zehn Jahren oder schon nächstes Jahr wieder eine Pandemie ereilen. Wir wissen es nicht. Wir müssen diskutieren, ob es richtig ist, diese Kontingente fix vorzuhalten – oder ob es flexiblere Instrumente gibt. Ideal wäre der Normalbetrieb – mit der Vorbereitung darauf, dass wir im Krisenfall schnell umschichten können.“

4. Müsste das Vergütungssystem verändert werden, damit die Kliniken Kapazitäten für Pandemien vorhalten können? Und wenn ja: wie?


Prof. Dr. Reinhard Busse


„Krankenhäuser werden in normalen Zeiten dafür bezahlt, dass sie Patienten behandeln. Sie bekommen Geld für jeden Patienten, den sie aufnehmen und behandeln: die sogenannten ‚Fallpauschalen‘. Seit vorigem Jahr ist dieses System für die Vorhaltung von Notaufnahmen ergänzt worden: Seitdem bekommen die Krankenhäuser unterschiedlich hohe Pauschalen pro Jahr – je nachdem, welche Ausstattung sie für Notfälle bereithalten – unabhängig davon, wie viele Notfälle sie tatsächlich behandeln. Seit März dieses Jahres schließlich gibt es zusätzlich die sogenannten ‚Freihaltepauschalen‘ in Höhe von derzeit 560 Euro pro Tag für jedes freie Bett. In Zukunft brauchen wir alle drei Elemente: Fallpauschalen, die Pauschalen für die Vorhaltung von Notaufnahmen und Freihaltepauschalen. Die Freihaltepauschalen aber nur für die Betten, die als Reserve regional wirklich freigehalten werden sollen – und nicht für Betten, die einfach leer stehen.“ 

Prof. Dr. Max Geraedts


„Die vierte Ad-hoc-Stellungnahme der Leopoldina setzt auf einen Ausbau des Fallpauschalensystems, wonach stärker sowohl Strukturförderungsinstrumente als auch Vorhaltekosten bezahlt werden sollten. Zudem wird davon abgeraten, Gesundheitseinrichtungen gewinnorientiert zu gestalten. Das kann ich nur unterstützen. Ich würde jedoch noch weitergehend denken: Krankenhäuser sollten größtenteils über die Finanzierung von Vorhaltekosten bezahlt werden. Diese Finanzierung sollte eine gute technische und personelle Ausstattung jeder Klinik erlauben – jeweils nach ihrem vorab definierten Zweck. Eine Leistungs- und Qualitätskomponente könnte angedacht werden. Allerdings zeigen bisher die meisten Studien zu solchen Komponenten, dass finanzielle Anreize, die zu einer besseren Qualität führen sollen, oftmals viele unerwünschte Nebenwirkungen erzeugen. Irgendwie hat in diesem Bereich noch keiner den Stein der Weisen gefunden.“

Prof. Dr. Uwe Janssens


„Wenn man zukünftig Strukturen für den Ernstfall einer Pandemie dauerhaft freihalten und schnellstmöglich in Betrieb nehmen will, müssen diese Vorhaltungen der Krankenhäuser oder andere Strukturen auch entsprechend gegenfinanziert werden. Das jetzige Vergütungssystem kann an dieser Stelle das Geld dafür nicht bereitstellen und finanziert solche Elemente der Daseinsvorsorge überhaupt nicht.“

„Ein gutes Beispiel ist die Forderung einzelner Landesgesundheitsminister, dass die Krankenhäuser prinzipiell die Verpflichtung hätten, für eine Katastrophenlage oder Pandemie entsprechende Vorbereitungen zu treffen und insbesondere Schutzausrüstung oder andere Materialien für den Ernstfall in ausreichender Menge vorhalten sollten. Dieses war zum Beginn der Pandemie offensichtlich auf keiner Ebene der Fall: Weder Bund, noch die Länder, noch die einzelnen Krankenhäuser verfügten über entsprechende Vorräte. Diese fehlende Vorratshaltung ergibt sich aber auch aus den fehlenden Mitteln für die Finanzierung der Krankenhäuser, die die einzelnen Bundesländer prinzipiell den Krankenhäusern zur Verfügung stellen müssten (Stichwort ‚duale Finanzierung‘).“

„Ausreichende Strukturen zur Vorsorge vor und für den Fall einer Pandemie bereitzustellen, bedeutet eben, ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen, damit dieses geschehen kann. Am Ende besteht aber ein Kernproblem: Gibt es ausreichend medizinisches Personal – Pflegepersonal, Ärzte und so weiter –, um im Ernstfall die dann zusätzlich zur Verfügung gestellten Strukturen mit der erforderlichen Kompetenz bedienen zu können?“

„Zusammenfassend ist das jetzige Finanzierungssystem nicht darauf ausgerichtet, Gelder für die Vorsorge vor einer Pandemie in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen.“

Prof. Dr. Clemens Wendtner


„Die Corona-Krise gibt uns auch hinsichtlich des Vergütungssystems Anlass zum Nachdenken. Das DRG-System (das System der Krankenhausvergütung durch Fallpauschalen, Anm. d. Red.) hätte die Kliniken, die sich bei der Eindämmung der Pandemie besonders engagiert haben, ohne zusätzliche Sofort-Unterstützung aus öffentlicher Hand in den Ruin getrieben. Es müssen finanzielle Reserven im Vergütungssystem hinterlegt werden, die künftig eine unmittelbare und automatische Unterstützung in gesundheitlichen Bedrohungslagen garantieren. Für ausgewiesene infektiologische Zentren muss es Kostenübernahmegarantien durch die öffentliche Hand geben. Dass dies alles viel Geld kostet und gegenfinanziert sein muss, ist selbstredend. Aber im Vergleich zum Schaden, den eine Pandemie in großen Volkswirtschaften anrichten kann, ist dies sehr gut investiertes Geld in die Zukunft.“

Prof. Dr. Boris Augurzky


„Wichtig ist zunächst einmal, dass man in jedem Fall ein Konzept hat und nicht ad hoc reagieren muss. Grundsätzlich gibt es aber völlig verschiedene Ansatzpunkte. Man kann zunächst sagen: Wir gehen zurück zu unserem normalen DRG-System (Vergütung der Krankenhäuser nach Fallpauschalen; Anm. d. Red.), und man hat nur für den Fall einer Pandemie einen Plan B einschließlich eines dafür passenden Vergütungssystems. Dabei geht es darum, Betten freizuhalten, Geräte vorrätig zu haben und das Personal regelmäßig zu schulen. Das alles wird bezahlt werden müssen. Im März dieses Jahres sind wir gezwungenermaßen sehr pauschal vorgegangen. Für die nächste Pandemie hätten wir nun Zeit, uns fundierter vorzubereiten und einen verfeinerten Plan B aufzustellen. Immer dann, wenn eine Pandemie oder eine Erkrankungswelle absehbar ist, so wie es dieses Jahr schon im Januar der Fall war, könnte man diesen Plan B aus der Tasche ziehen. Der Gesetzgeber müsste ihn scharfstellen – und dann würde wieder die Regel gelten: Betten freihalten, Intensivkapazitäten reaktivieren, Personal anders einsetzen. Wir wissen inzwischen: Mit einem Vorlauf von zwei Wochen bekommen wir in den Krankenhäusern ausreichend viele freie Kapazitäten.“

„Eine andere Möglichkeit wäre, dass wir das bestehende Vergütungssystem – also die Vergütung nach Fallpauschalen – grundsätzlich verändern. Denn die Debatte über die Finanzierung der Krankenhäuser im Pandemie-Fall überlagert sich mit einer weiteren Diskussion: Es wird oft kritisiert, die Fallpauschalen seien ein Anreiz für viele Behandlungen. Tatsächlich behandeln die deutschen Krankenhäuser im internationalen Vergleich sehr viele Menschen. Es wird daher immer wieder diskutiert, ob man nicht von der Vergütung nach Fällen abrückt und stattdessen zum Beispiel die Aufgabe finanziert, die Bevölkerung gesund zu halten. Man könnte sich überlegen: Pro Region, die vorab definiert ist, gibt es eine Art Gesundheitsbudget, das die Region mit der Aufgabe bekommt: Haltet die Leute in der Region gesund, und wenn sie krank werden, versucht, sie zu heilen. Wie man das dann konkret macht, ist der einzelnen Region überlassen, ob das ambulant, stationär oder sogar mithilfe von Telemedizin erfolgt – das ist dann frei vor Ort gestaltbar. Wenn man ein solches Gesundheitsbudget hätte, müsste man im Falle einer Pandemie nur wenig ändern: Die Region, beispielsweise ein Landkreis mit 250 000 Einwohnern, bekäme einfach weiter ihr Budget. Es fielen keine Einnahmen weg, wenn man andere Erkrankungen nicht behandelt. Es würde nur umgeschichtet: Sobald COVID-19-Fälle aufträten und die elektiven Behandlungen verschoben werden müssten, würde man die COVID-19-Patienten im Rahmen des Budgets behandeln. Die anderen kämen zunächst auf eine Warteliste. Die Erlöse der Krankenhäuser würden sich so fast gar nicht verändern. Sie hätten zwar zum Beispiel wegen zusätzlicher Schutzmaterialien einen gewissen Mehraufwand, aber der Großteil der Finanzierung wäre zumindest gesichert.“

„In einem solchen Modell gäbe es allerdings auch Herausforderungen. Es würde zunächst nicht für alle Regionen Deutschlands funktionieren, sondern eher für ländliche Regionen, wo es eine überschaubare Zahl an Krankenhäusern gibt, die am besten alle einem Träger gehören, damit es vor Ort – innerhalb des Budgets – keine Wettbewerbskonstellation gibt. Sonst müsste man innerhalb der Region das Budget aufteilen. Das wäre dann schon komplizierter. Auch bräuchte es einen starken Wettbewerb zwischen Regionen, sodass die Bürger einer Region bei schlechter Qualität oder großen Wartelisten jederzeit in eine andere wechseln könnten.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Reinhard Busse: ist Mitglied des Fachbeirates des Bundesgesundheitsministeriums (nach §24 KHG); Anm. d. Red.

Prof. Dr. Boris Augurzky: ist Mitglied des Fachbeirates des Bundesgesundheitsministeriums (nach §24 KHG); Anm. d. Red.

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