Kliniken:Intensivmediziner gehen zuversichtlich in den Corona-Winter

Bett in einer Intensivstation

50 000 Euro gab es pro neuem Intensivbett, auch wenn das dann leer blieb.

(Foto: Jonas Güttler/dpa)

Ein Engpass an Intensivbetten sei in Deutschland derzeit nicht absehbar. Doch die künftige Auslastung hängt vom Verhalten jedes Einzelnen ab.

Von Christina Berndt

Deutschlands Intensivmediziner sehen sich für den Herbst und den Winter in der Pandemie gut aufgestellt. "Wir stehen ein wenig angespannt da, aber wir werden es schaffen", sagte Uwe Janssens, der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Voraussetzung sei allerdings, dass sich die Bevölkerung weiterhin an die Maßnahmen zur Eindämmung von Sars-CoV-2 hält. Anfang des Jahres habe die Pandemie die Krankenhäuser und Intensivstationen "unvorbereitet und mit voller Wucht" getroffen, so Janssens während einer Pressekonferenz des Science Media Centers. Seither habe es aber zahlreiche organisatorische, logistische und auch ärztliche Fortschritte gegeben, sodass die Infektionen jetzt besser handhabbar seien.

Gleichwohl steigen die Zahlen der schwer kranken Covid-19-Patienten schon jetzt. "Wir haben deutlich mehr Patienten als noch vor vier Wochen", sagte Clemens Wendtner, Leiter der Spezialeinheit für hoch ansteckende Infektionen an der Klinik Schwabing in München, konkret seien es 25 (von denen zwei auf der Intensivstation behandelt werden) statt damals weniger als 10. Menschen müssten deshalb motiviert werden, sich weiter an die Corona-Regeln zu halten.

Wie sich die Lage weiter entwickeln könnte, zeigte der Gesundheitssystemforscher Reinhard Busse von der TU Berlin mit einem Blick in Deutschlands Nachbarländer. Bezogen auf die Bevölkerungszahl habe Deutschland derzeit etwa so viele Neuinfektionen wie Belgien und die Niederlande vor rund fünf Wochen. Inzwischen haben sich die Infektionszahlen in den beiden Ländern, in denen bisher allerdings laxere Corona-Maßnahmen galten als in Deutschland, etwa verzwölffacht. "Die Krankenhausfälle in Belgien und den Niederlanden haben sich seither um den Faktor sechs beziehungsweise acht erhöht", so Busse, "und die Zahl der Intensivpatienten um fünf beziehungsweise sechs."

In Deutschland waren am Montag 851 Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt, am Freitag waren es noch 690 gewesen; etwa 9000 der insgesamt mehr als 30 000 Intensivbetten sind noch frei. Verliefe die Entwicklung wie in den Niederlanden, gäbe es Ende November rund 5000 Covid-19-Intensivpatienten und nur noch rund 5000 freie Betten. Zudem werden rund 12 000 Reservebetten vorgehalten, die im Notfall in Intensivbetten umgewandelt werden können.

Schwierig könnte es allerdings auch wegen des eklatanten Personalmangels in den Intensivstationen werden, den es auch schon vor der Pandemie in den deutschen Krankenhäusern gab: "Diese Defizite konnten in der Kürze der Zeit nicht aufgeholt werden", sagte DIVI-Präsident Janssens. Und der Schwabinger Chefarzt Wendtner ergänzte: "Es muss auch Menschen hinter den Maschinen geben." In vielen Kliniken würde Pflegepersonal daher bereits umgeschult, damit es im Notfall auch auf der Intensivstation arbeiten könne. Dann müssten andere Patienten aber zurückstehen.

Ziel müsse es somit sein, dass erst gar nicht so viele Patienten auf die Intensivstationen kommen, betonte Wendtner. Die Sterblichkeit unter Covid-19 sei 20-mal so groß wie durch die Influenza, und von den Covid-19-Patienten auf Intensivstationen ist auch in Deutschland jeder Vierte gestorben. Zudem tragen viele Genesene noch lange an den Folgen. "Covid-19-Patienten liegen sehr viel länger auf Intensivstationen als andere Patienten", sagte Uwe Janssens, "sie erleiden daher besonders häufig Spätschäden." Hinzu kommen die Langzeitschäden von Covid-19 vor allem an Gehirn, Muskeln und Lunge - auch bei weniger schwer Erkrankten.

Wichtig ist es nach Ansicht der Experten daher, Sars-CoV-2 weiterhin an der Ausbreitung zu hindern. Zudem sei das Aufeinandertreffen von Influenza und Covid-19 im Winter eine Herausforderung, sagte Wendtner: "Es gilt, eine Doppelwelle Influenza plus Covid-19 zu verhindern." Deshalb sollten sich auch unter 60-Jährige in diesem Jahr gegen die Grippe impfen lassen.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, es würden derzeit 25 Covid-19-Patienten in Schwabing auf der Intensivstation behandelt. Richtig ist, dass derzeit insgesamt 25 Covid-19-Patienten dort behandelt werden.

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