Kliniken im Seuchenmodus : „Italienische Verhältnisse können wir händeln“
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Die Assistenzärztin Maria Koch (r.) demonstriert in einem Schutzanzug die Funktion einer Isolierstation im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Bild: dpa
Deutsche Kliniken sind auch für Schlimmeres gerüstet, sagt ein Krankenhausexperte,und das meinen auch Mediziner, die bereits schwerkranke Corona-Patienten behandeln. Außerdem besteht Hoffnung auf das erste Covid-19-Medikament.
In deutschen Kliniken gibt es nach Auffassung von Krankenhausexperten ausreichend viele Betten und Beatmungsplätze, um einen Ansturm schwerkranker Covid-19-Patienten wie in Italien zu stemmen. Auch bei einer Verschärfung der Corona-Krise könnten, sofern das Personal auch zur Verfügung steht, alle Patienten, die einen Intensivtherapieplatz benötigen, wie vorgesehen behandelt werden. „Italienische Verhältnisse könnten wir in Deutschland gut händeln“, sagte Reinhard Busse, Kodirektor des European Observatory on Health Systems and Policies an der Technischen Universität Berlin in einer Pressekonferenz.
Von den insgesamt 450.000 Krankenhausbetten in Deutschland stehen Busse zufolge 100.000 derzeit leer. Daraus könnten 50.000 Isolierzimmer für einzelne Covid-19-Patienten gemacht werden. Mit zudem 27.000 Intensivbetten in Deutschland sei man international sehr gut aufgestellt, auch an Beatmungsgeräten bestehe erst einmal kein Mangel. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von einer Woche könnten die Kliniken täglich also 4000 Intensivpatienten neu aufnehmen. Etwa zehn Prozent der neu erkrankten Corona-Patienten gilt als intensivpflichtig.
Rechnet man damit, dass die Hälfte der Intensivbetten für Patienten mit anderen Krankheiten gebraucht würden, könnte man die Situation laut Busse auch dann noch beherrschen, wenn es täglich zu 20.000 Neuerkrankungen in Deutschland kommt. Davon ist man zur Zeit noch weit entfernt. Allerdings rechnen alle Experten und auch die Bundesregierung damit, dass die Zahl der Sars-CoV-2-Infektionen in Deutschland noch länger ansteigen wird.
Gleichwohl ist wichtig, zu beachten, dass die Infektionszahlen in Italien und Deutschland nicht ohne Weiteres vergleichbar sind. So gibt die Anzahl der negativen Testergebnisse einen Anhaltspunkt dafür, wie stark die Zahl der positiv Getesteten von derjenigen der tatsächlich Infizierten abweicht. In Deutschland ist diese Zahl der negativen Testergebnisse noch sehr hoch: allein in der vergangenen Woche lag nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Zahl der Tests, die allein in Arztpraxen durchgeführt wurden, bei 35.000. In Italien dagegen liegt die Vermutung nahe, dass die Zahl der positiv Getesteten deutlich unter derjenigen der tatsächlich Infizierten liegt.
In vielen deutschen Kliniken bereitet man sich darauf vor, auch die Covid-19-Patienten aus dem Umland aufzunehmen. So wie in München, wo Clemens Wendtner von der Klinik Schwabing im Februar die ersten 35 deutschen Coronavirus-Patienten behandelt hat: “Wir haben inzwischen Pandemiezonen in bestimmten Bereichen der Klinik eingerichtet“, sagte Wendtner. Auch an der Universitätsklinik Heidelberg richtet man sich darauf ein, als Schwerpunktzentrum für die Behandlung zur Verfügung zu stehen. Am Universitätsklinikum Heidelberg werden zur Zeit vier Covid-19-Patienten stationär behandelt (dieser Satz wurde im Vergleich zu einer früheren Version korrigiert, siehe unten). Auf einer zur Intensivstation umgebauten Wachstation stehen dort bei Bedarf weitere Betten zur Verfügung. ECMO-Lungenmaschinen würden künftig zunehmend gebraucht, wenn die Zahl der schwerstkranken Patienten rasch zunehme. „Ein Problem könnte auch werden, dass uns irgendwann das Material für die Geräte fehlt, weil vieles davon, wie etwa die Schläuche, aus China kommt“, sagte die Heidelberger Infektiologin und Ärztliche Direktorin der zuständigen Klinik für Gastroenterologie, Infektionen und Vergiftungen, Uta Merle.
Parallel zu den Pandemie-Vorbereitungen laufen derzeit in einigen deutschen Kliniken wie in China auch klinische Versuche mit möglichen antiviralen Medikamenten. Am aussichtsreichsten sei derzeit das für die Behandlung von Ebola-Infektionen entwickelte und auch zugelassene Remdesivir. Das Mittel hemmt die Vermehrung der Viren. Ob das ausreicht, auch schwerstkranke Covid-19-Patienten am Leben zu erhalten und die Infektion ohne große Nebenwirkungen zurückzudrängen, könnte der Heidelberger Infektiologin Merle zufolge bis Ende April geklärt sein. Wendtner kündigte an, dass man das Mittel dann auch möglichst schnell in deutschen Behandlungszentren wie München einsetzen wolle.
Korrektur: In einer früheren Version des Artikels hieß es fälschlicherweise: „Vier schwerkranke Covid-19-Patienten liegen in Heidelberg mittlerweile auf einer zur Intensivstation umgebauten ehemaligen Wachstation der Klinik.“ Die Uniklinik Heidelberg hat darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung der Patienten als „schwerkrank“ nicht zutreffend sei. Den Patienten gehe es gut. Die umgebaute Wachstation sei zudem für zukünftige Fälle vorbereitet worden. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.