Krankenhaus-Streit bei „Hart aber Fair“: Professor will Hälfte der Kliniken schließen
Erst schließt der Landarzt seine Praxis, dann macht die Klinik dicht. Keine schöne Aussicht.
Das Thema bei „Hart aber fair“: „Zu klein, zu teuer, zu schlecht: Haben wir zu viele Krankenhäuser?“
Die Gäste
Gerald Gaß (56), Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Anti-Plattmacher: „Patienten werden auch in kleinen Krankenhäusern gut behandelt. Einfach plattmachen ist ein kompletter Irrweg.“
Martin Litsch (62), Chef der AOK, die über ihre Mitglieder die Kliniken finanziert: „In Ballungsräumen stehen sich die Krankenhäuser auf den Füßen.“ Gnadenlos: „Und auch auf dem Land ist kein Krankenhaus unverzichtbar.“
Sabine Bätzing-Lichtenthäler (44, SPD), Gesundheitsministerin in Mainz, Schutzengel der Patienten: „Das Krankenhaus muss im Notfall in dreißig Minuten erreichbar sein. Deshalb sind auf dem Land viele Krankenhäuser eben doch unverzichtbar.“
Rainer Hoffmann, Facharzt, seit zwei Jahren im Ruhestand, kämpferisch:„Stoppt das Krankenhaussterben im ländlichen Raum! Krankenhäuser auf dem Land sind für die Menschen ein wichtiger Teil ihrer Lebensqualität.“
Reinhard Busse (56), Management-Professor aus Berlin, kommt mit dem Räumbagger: „Wir brauchen weniger als die Hälfte der Krankenhäuser. Die müssen dann allerdings auf Spitzenniveau sein.“
In diesem Talk klappert das OP-Besteck. Schwerer Zoff am Krankenbett.
Risiko Herzinfarkt!
Räumbagger Busse: „Die Medizin hat sich verändert. Sie ist spezialisierter geworden.“ Kleine Krankenhäuser können nicht so viel Kardiologen vorhalten. Haben möglicherweise keinen Herzkatheter auf Vorrat. Also: „Besser schnell in ein anderes Krankenhaus fahren und dort perfekt behandelt werden.“
Protest von Krankenhaus-Verteidiger Hoffmann: „Die Beispiele Herzinfarkt und Schlaganfall“ dienen dazu, „unsere kleinen Krankenhäuser schlecht zu reden.“
Versöhnlicher Ton von Ministerin Bätzing-Lichtenthäler. Ihr Konzept: Der akute Blinddarm wird in der Nähe operiert, aber „für die planbare Leistung“ wie das künstliche Kniegelenk, „muss man auch weitere Wege in Kauf nehmen.“
Eiskalter Manager Busse: Deutschland ist Drittbester in Europa beim Verhältnis Patient zu Pflegeperson. Sein Aber: „Wir haben zu viele unnötige Patienten.“ Aufgenommen werden sollten „nur die, die stationärer Behandlung bedürfen. Da werden fünfzig Prozent behandelt, die gar nicht ins Krankenhaus gehören.“ Meint: Die Patienten sollten ambulant versorgt werden oder ins Pflegeheim kommen.
Bester Zwischenruf des Abends von Dr. Hoffmann: „Kein Mensch geht freiwillig ins Krankenhaus!“ Vom AOK-Chef Litsch stammt der Vorwurf der „Gelegenheitschirurgie“. Heisst: Der Klinikarzt nimmt mit, was gerade kommt.
Plasberg drastisch: „Schön, da kommt mal ein Knie rein, oder mal an der Hüfte rumschnippeln.“ – Lässt sich ja abrechnen.
Überlebensargument von AOK-Litsch: „In spezialisierten Kliniken ist die Zahl der Komplikationen und der Sterbefälle niedriger.“
Empörungsausbruch der Mainzer Ministerin: „Da wird so getan, als würden kleine Krankenhäuser keine gute Qualität liefern. Das Personal dort macht einen Bombenjob!“
Vorbild Dänemark
Plasberg bittet Katja Kilb Jacobsen, die als deutsche Anästhesistin in einer dänischen Klinik arbeitet, zum Interview. Die Dänen haben die Zahl ihrer Kliniken von 98 auf 32 reduziert. Jacobsen lobt: „Sie haben sehr viel mehr Pflegepersonal. In der Intensivstation kommt eine Schwester auf einen Patienten.“ Sie spricht aus Erfahrung: „In Deutschland nicht vorstellbar.“ Die Krankenwagen sind für die längeren Fahrten zu den Kliniken besser ausgestattet als in Deutschland. Und: „Patientenangehörige können im Patientenhotel übernachten. Das ist bezahlbar.“
Die Deutsche in will in Dänemark bleiben: „Ich will auch als Patientin lieber in Dänemark behandelt werden als hier.“ Und: „Man verdient mehr und muss nicht so viel arbeiten.“
Krankenhaus-Präsident Gaß zollt den Dänen Respekt: „Ein konsequenter radikaler Umbau des Gesundheitssystems.“
Aber: Es gibt in Dänemark nur eine staatliche Krankenkasse. Der Staat entscheidet. Das hiesse für Deutschland – so Gaß - „nur noch staatliche, keine privaten, keine kirchlichen Krankenhäuser, keine Konkurrenz.“ Seine Einschätzung: Das würde in Deutschland das Kartellamt gar nicht durchgehen lassen. Also: Vorbild Dänemark abgesagt!
Gaß-Argument für die kleineren Krankenhäuser auf dem Lande: „Krankenhäuser haben ein symbolische Bedeutung vor Ort, selbst wenn man nicht hingeht. Sie sind Standort für die Notarztwagen. Sie haben Krankenpflegeschulen“ für junge Leute, die nicht in die Grossstadt wollen.“
Zitat des Abends
Zum „Hart aber fair“-Motto „Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“. „Ich bin Politik und Wirklichkeit.“ Ministerin Bätzing-Lichtenthäler
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