Orientierungswert von Thomas Bublitz, BDPK

Meine Corona-Lehre: Demut

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Meine Corona-Lehre: Demut
Thomas Bublitz © BDPK

Die Lehren aus der Corona-Krise haben derzeit in den gesundheitspolitischen Kommentaren Hochkonjunktur. Nachdem das Schlimmste, eine deutschlandweite Versorgungskrise mit einer hohen Zahl verstorbener Patienten und überforderten Krankenhausmitarbeitern, vermieden werden konnte, versuchen nun viele der Interessengruppen im Gesundheitswesen darüber die Deutungshoheit zu gewinnen.

So stellt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einer Pressemeldung vollmundig fest, dass ohne die Vertragsärzte nichts läuft. Ohne die Leistung der Vertragsärzte schmälern zu wollen, hatte ich eher den Eindruck, dass sie darum bemüht waren, Corona-Patienten von ihren Praxen fernzuhalten. Sowohl aus meinem persönlichen Umfeld als auch aus den Medien kam bei mir die Botschaft an, dass Corona-Patienten bloß zu Hause bleiben und ja nicht die Praxen aufsuchen sollten. Viele Vertragsarztpraxen weigerten sich sogar, Abstriche für dringend notwendige Coronatests vorzunehmen, weil man eine Ansteckung befürchtete und es an Schutzausrüstung fehlte. Auch die Rolle der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Verteilung der Schutzausrüstung war kein Glanzstück. Verdachtsfälle und wirklich kranke Patienten mit Symptomen wurden hingegen direkt an die Krankenhäuser verwiesen. Daher fällt es mir ein wenig schwer, die besondere Leistung der Vertragsarztpraxen zur Versorgung der Corona-Patienten zu würdigen.

Die Leopoldina, die renommierte Akademie der Nationalen Wissenschaften, wartet in ihrem vierten adhoc-Bericht mit einem besonderen Highlight auf: Die Krise lehre uns, dass wir ein bedarfs- und nicht primär gewinnorientiertes System bräuchten, das sich am Patientenwohl orientiert und qualitätsgesichert arbeitet. Klingt populär, nur: Ein solches System haben wir doch bereits! Die Kliniken haben den ihnen zugewiesenen Versorgungsauftrag in der Krise umgesetzt, auch wenn das für sie Verluste bedeutete. Die Zahl der Krankenhäuser mit negativen Betriebsergebnissen war schon vor Corona deutlich angestiegen, die genauen Auswirkungen der Krise werden sich erst 2021 zeigen. Aktuell sind bereits mehr als 13 Prozent aller Krankenhäuser akut insolvenzgefährdet, wie aus dem am 18. Juni 2020 veröffentlichten Krankenhaus Rating-Report hervorgeht. Ich habe Zweifel, ob eine weiter steigende Zahl von Krankenhäusern mit negativen Betriebsergebnissen gut für die Patientenversorgung ist. 

Die Lehre von Prof. Dr. Reinhard Busse wiederum lautet, dass die kleinen Krankenhäuser in der Krise nicht geholfen hätten. Daher könnten diese eigentlich weg. Es mag sein, dass nicht viele der beatmungsbedürftigen Patienten auf den Intensivstationen der kleineren Krankenhäuser behandelt wurden. Vielleicht haben aber gerade diese kleineren Krankenhäuser die Versorgung der anderen Patienten übernommen und so für die entsprechend freien Ressourcen in den größeren Krankenhäusern gesorgt.

Die Poliitk hat einen besonders guten Job gemacht

Und die Politik? Die oft gescholtenen Politiker haben nach meiner Überzeugung einen besonders guten und weitsichtigen Job in der Krise gemacht. Sie haben einen in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartigen Shutdown ebenso vollzogen wie seine behutsame Lockerung. Natürlich kann man im Nachhinein immer einzelne Entscheidungen kritisieren, beispielsweise den Rettungsschirm für Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken, mit dem leerstehende Betten besser bezahlt wurden als die Behandlung von Patienten. Man kann auch kritisieren, dass die Leerstandspauschale für manche Krankenhäuser zu viel und für manche zu wenig war oder dass die Kostenpauschale für die Einrichtung neuer Intensivbetten unnötig war, weil die letztlich leer gestanden haben. Dem entgegne ich, dass niemand Mitte März voraussehen konnte, wie dramatisch die Krise verlaufen wird und was auf unsere Krankenhäuser tatsächlich zukommt. 

Hoffentlich lehrt uns die Krise, dass es nicht richtig ist, die eigene Klientel zum alleinigen Vater des Erfolges zu küren. Wichtiger wäre stattdessen, später für eine ergebnisorientierte Analyse und Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens zur Verfügung zu stehen, z. B. hinsichtlich der Themen Digitalisierung und Öffnung der Versorgungssektoren. Das System hat sich in den letzten Monaten durchaus bewährt, deshalb sollte es angepasst statt zerstört werden. Denn die Krise ist meines Erachtens noch nicht vorbei.

Autor

 Thomas Bublitz

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