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Politik Krankenhäuser

Pfleger befürworten drastischen Abbau von Kliniken

Kommt Deutschland mit weniger Krankenhäusern aus?

Hat Deutschland zu viele Krankenhäuser? Eine Studie zeigt auf, dass eine Umverteilung der Hospitale effizienter sein könnte. Doch wie stehen die Mediziner zu einer möglichen Halbierung ihrer Einrichtungen?

Quelle: WELT/Thomas Vedder

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Die Bertelsmann-Stiftung sorgt mit einer drastischen Forderung für Kontroversen: Mehr als die Hälfte aller Krankenhäuser im Land sollen geschlossen werden. Der Berufsverband der Pfleger findet: Das wäre genau richtig.

Der Berufsverband der Pflegeberufe befürwortet den Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung, die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland drastisch zu reduzieren. „Der Überhang von Krankenhausbetten muss zügig und koordiniert vom Netz“, sagte die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, WELT. Ein „grundlegendes Umdenken und neue Anreize“ seien notwendig, so Bienstein.

Die Bertelsmann-Stiftung hatte in einer am Montag vorgestellten Studie vorgeschlagen, die Zahl der Kliniken von derzeit knapp 1400 auf weniger als 600 zu verringern. Auf diese Weise, so die Argumentation, könnten die verbleibenden Krankenhäuser großzügiger mit Personal und Technik ausgestattet und so die Patienten besser versorgt werden.

Zudem würden die Häuser damit mehr Patienten mit denselben Krankheitsbildern behandeln und so die nötige Routine bekommen. „Nur Kliniken mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten haben genügend Erfahrung für eine sichere Behandlung“, schreiben die Autoren. So ließen sich viele Komplikationen und Todesfälle vermeiden.

Die Regierung hält sich mit einer Beurteilung zurück

Das Bundesgesundheitsministerium reagierte zurückhaltend. Man habe den Vorschlag „zur Kenntnis genommen“ und schaue ihn „genauer an“, sagte eine Sprecherin. Ähnlich vorsichtig äußerte sich die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, gegenüber WELT. Es müsse „an der weiteren Optimierung des Mix aus erreichbarer Grundversorgung und spezialisierter Hochleistungsmedizin mit den Ländern“ gearbeitet werden, sagte Schmidtke.

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Patienten- und Ärztevertreter kritisierten die Forderung. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach von einem „Kahlschlag“. „Das mag wissenschaftlich begründet sein, wäre für die Menschen aber verheerend.“ Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, warnte vor einer „Zerstörung von sozialer Infrastruktur in einem geradezu abenteuerlichen Ausmaß“.

Der Pflegeberufsverband DBfK dagegen fordert bereits seit Jahren, die Zahl der Krankenhäuser zu reduzieren. So lasse sich die Versorgung der Patienten verbessern. Derzeit verteilten sich die Krankenhauspfleger auf zu viele Kliniken – die wiederum zu viele Patienten teils unnötig operieren würden, etwa an Hüft- oder Kniegelenken, um ihren Betrieb am Laufen zu halten. Durch die hohen Patientenzahlen, die dadurch zusammenkämen, bleibe den Pflegern für den einzelnen Patienten zu wenig Zeit.

Derzeit muss ein Pfleger in einer deutschen Klinik im Schnitt laut einer Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung 13 Patienten gleichzeitig versorgen und damit deutlich mehr als in anderen europäischen Ländern. In den Niederlanden etwa ist ein Pfleger für sieben Patienten verantwortlich.

Gesundheitsforscher: Kurze Fahrtwege erwecken „Scheinsicherheit“

Ähnlich argumentieren bekannte Gesundheitsforscher. „Gerade kleinere Krankenhäuser bieten oftmals eine geringere Versorgungsqualität auch aufgrund von Personalmangel“, sagte Jonas Schreyögg, Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Hamburg. Laut einer Erhebung der Gewerkschaft Ver.di von 2018 fehlen bundesweit 80.000 Pfleger, um Patienten ausreichend versorgen zu können.

Die schnelle Erreichbarkeit, mit denen Krankenhausbetreiber die derzeitige Zahl an Kliniken begründeten, helfe den Patienten nicht, sagte Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin. „Wir erwecken mit den vielen Krankenhäusern eine Scheinsicherheit. Durch die schnelle Erreichbarkeit suggerieren wir, man sei überall gut aufgehoben.“

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Huyen Thi Pham Viatnamesische Pflegekräfte, Vivantes Haus John F. Kennedy, Wittenau
Pflegenotstand in Deutschland
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Tatsächlich aber seien nur zwei von fünf Kliniken für Notfälle adäquat ausgestattet, etwa für die Behandlung von Herzinfarkten und Schlaganfällen. „Patienten werden dann nicht bestmöglich behandelt oder müssen weiterverlegt werden, wodurch Zeit verloren geht.“

Der Berufsverband der Pflegenden fordert, eine Reihe kleiner Krankenhäuser in Gesundheitszentren umzuwandeln, in denen Patienten interdisziplinär ambulant versorgt werden könnten.

Die Krise der Krankenhäuser verschärft sich

Nicht nur der Pflegenotstand, auch die bürokratischen Hürden machen die Arbeit in deutschen Krankenhäusern immer schwieriger. Zudem droht ein Engpass bei chirurgischen Instrumenten, Implantaten und anderen Medizinprodukten.

Quelle: WELT/Nicole Fuchs-Wiecha

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