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Fallzahlen, Intensivbetten, Engpässe: "Schwerster Teil kommt erst noch" - die Fakten hinter der Spahn-Aussage
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Jens Spahn ist überzeugt, dass der schwerste Teil der Infektionswelle noch bevorsteht.
gettyimages/dpa Jens Spahn ist überzeugt, dass der schwerste Teil der Infektionswelle noch bevorsteht.

Seit fast zwei Wochen gelten massive Ausgangsbeschränkungen in Deutschland. 77.981 Corona-Fälle sind hierzulande aktuell bestätigt (Stand: 2.4.20). Trotzdem ist Jens Spahn überzeugt, dass der schwerste Teil der Infektionswelle noch bevorsteht. Das sind die Fakten.

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„Der schwerere Teil kommt noch“, sagte Jens Spahn gestern in einem Interview mit FOCUS-Online-Gastautor Gabor Steingart in Hinblick auf die Coronasituation in Deutschland.

Bereits jetzt hat die Bundesrepublik laut der Johns Hopkins Universität 77.981 bestätigte Corona-Fälle (Stand: 2.4.). Damit gehören wir weltweit zu den fünf Ländern mit den höchsten gemeldeten Fallzahlen. Wie gut und vor allem wie vergleichbar diese Zahlen sind, ist fraglich, denn jedes Land hat sein eigenes Vorgehen in dieser Situation - und meldet und testet in unterschiedlichem Maße. Experten gehen von hohen Dunkelziffern aus.

Trotzdem: Sicher ist, dass die Kurve in Deutschland noch nicht so weit abgeflacht ist, wie es wünschenswert wäre. Angela Merkel hatte zuletzt davon gesprochen, dass sich die Fallzahlen nur alle 12, 13 oder gar 14 Tage verdoppeln dürften. Dieses Ziel ist noch nicht erreicht. Laut Süddeutscher Zeitung liegt die Verdopplungszeit aktuell bei 10,1 Tagen - in manchen Bundesländern darüber, in anderen noch darunter. Diese Marke hatte Merkel noch am vergangenen Wochenende entscheidend genannt. 

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Gestern sagte sie allerdings, dass schwere Fälle eine deutlich längere Behandlung auf der Intensivstation benötigten als zunächst angenommen - der Durchschnitt liege über zwei Wochen. Deshalb wurde die nötige Verdopplungszeit ausgeweitet. Sie ist ein Maß dafür, ob wir es schaffen, unsere Intensivstationen nicht zu überlasten.

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Intensivbetten

„Wir haben derzeit rund 10.000 freie Intensivbetten und damit doppelt so viele wie Italien insgesamt an Intensivbetten besitzt. (...). Aber wir sehen auch, dass es jetzt mehr werden jeden Tag. Das meinte ich mit der Ruhe vor dem Sturm. Wie heftig der Sturm wird? Das kann jetzt noch keiner sagen“, sagte Jens Spahn im Podcast von Gabor Steingart.

Die Kliniken in Deutschland haben wegen der Corona-Krise die Zahl der Intensivbetten von 28.000 auf 40.000 erhöht. „Ich gehe davon aus, dass wir durch die Aufstockung der vergangenen Wochen inzwischen knapp 40.000 Intensivbetten zur Verfügung haben, von denen etwa 15.000 bis 20.000 frei sind“, sagte der Chef der DKG, Gerald Gaß, der „Rheinischen Post“ am Donnerstag. Damit ist seine Schätzung noch etwas optimistischer als die von Jens Spahn.

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„Zu Beginn der Pandemie hatten wir etwa 20.000 Betten mit Beatmungsgerät. Inzwischen dürften wir bei etwa 30.000 liegen“, betonte Gaß, der die Interessen von rund 1900 Krankenhäusern bundesweit vertritt.

Das ist ein großer Erfolg. Aber wird er auch zukünftig ausreichen? Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin erklärte im Gespräch mit FOCUS Online: Selbst wenn wir von einer Verdopplungszeit von 10 Tagen ausgehen und nicht mehr, darf es, um von 50.000 Infizierten auf (nur) 100.000 zu kommen, innerhalb dieser zehn Tagen pro Tag nicht mehr als 5.000 Neuerkrankte geben. Das entspreche in etwa der aktuellen Zahl der täglichen Neuinfektionen (Stand 31.3.), „dabei beobachten wir etwa 150 zusätzliche Patienten auf der Intensivstation.“

Die Anzahl der Intensivpatienten sei so allerdings nicht gesetzt, da nicht alle Krankenhäuser ihre Daten an das bundesweite Register DIVI meldeten: „Es könnten bis zu 200 sein.“

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Wie lange ein Patient auf der Intensivstation liegen muss, ist laut Busse ebenfalls noch nicht bekannt, es gebe aber Vermutungen.

Am 31. März äußerte sich Busse noch etwas positiver als die Bundeskanzlerin gestern. „Wir schätzen zehn Tage“, sagte der Gesundheitsforscher. Das sei ein Mittelwert, der sich daraus ergibt, dass manche Patienten relativ schnell versterben, andere hingegen länger als zehn Tage dort liegen und sich erholen. „Das bedeutet, dass für die 5.000 Neuerkrankten am Tag etwa 1500 bis 2000 Intensivtage einzuplanen sind.“

Geht man von den genannten 150 bis 200 neuen Intensivpatienten aus, wäre das laut Busse derzeit noch zu stemmen. Auch 3000 bis 4000 (im zweiten Zehntageszeitraum) oder 6000 bis 8000 (im dritten Zehntageszeitraum) oder gerade noch 12.000 bis 16.000 (im vierten Zehntageszeitraum) seien machbar. Dann stoßen die Intensivbetten in unseren Krankenhäusern aber an ihre Kapazitätsgrenzen.

Die Lage in deutschen Krankenhäusern

„Ich bin grundsätzlich zuversichtlich, einfach weil wir uns so gut vorbereiten konnten wie wenige andere Länder. Kann ich Ihnen versprechen, dass es ganz sicher nicht so wird wie in Bergamo und New York? Nein, das kann ich nicht“, sagte Jens Spahn im Interview mit FOCUS-Online-Gastautor Gabor Steingart.

Der Blick nach Italien zeigt es: Das Klinikpersonal ächzt unter der Belastung, die es derzeit zu stemmen hat. Corona-Infizierte mit schweren Verläufen können dort zum Teil nicht mehr versorgt werden, Ärzte und Pfleger sind ausgelaugt.

Auch in Deutschland steigt die Zahl der Corona-Patienten, die auf Intensivstationen behandelt werden muss. Laut der Intensivmedizin-Fachgesellschaft DGAI werden mittlerweile pro Tag rund 100 Patienten neu auf die Stationen aufgenommen. Sollte dieser Trend anhalten, könnten die geschaffenen Reserven nach den Prognosen der Intensivmediziner in drei bis vier Wochen aufgebraucht sein.

Während in kleineren Krankenhäusern einzelne beatmete Intensivpatienten liegen, sind es in größeren Kliniken und Universitäten oft schon mehr als 20. Einzelne Patienten wurden auch schon geheilt. Häufig leiden sie an einem akuten Lungenversagen, das durch das Coronavirus ausgelöst wird.

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„Wir sind im Moment gut aufgestellt“, sagt Gernot Marx, Sprecher des Arbeitskreises Intensivmedizin der „Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“ (DGAI). Die Situation könnte sich jedoch innerhalb von Tagen verschärfen. Und dann könnten die Ressourcen schnell knapp werden. Stellenweise wurden komplette zusätzliche Intensivstationen eingerichtet.

Auch gibt es Kliniken, bei denen sich Häufungen von Infektionen in den Krankenhäusern selbst zeigten. In München etwa hat das Helios Klinikum München West seinen Alltagsbetrieb bereits aufgeben müssen, weil sich mehrere Patienten und auch Klinikmitarbeiter infiziert haben. Dort werden keine neuen Patienten mehr aufgenommen und die Patienten, die entlassen werden könnten, werden derzeit nicht entlassen, damit Infektionsketten unterbrochen werden.

Die Klinik hatte ein gehäuftes Auftreten von Covid-19-Fällen verzeichnet, besonders auf einer gemischt-internistischen und einer chirurgischen Station. Bislang wurden 14 Patienten und zwei Mitarbeiter positiv getestet.

Ähnliche Nachrichten gibt es aus Potsdam: Dort wurde das größte Krankenhaus wegen einer Häufung von Corona-Infizierten für neue Aufnahmen geschlossen. Bislang wurde das Virus laut Klinik bei mehr als 60 Patienten nachgewiesen, elf davon sind auf der Intensivstation. Sieben Infizierte seien bislang gestorben, der Grund der Infektion sei aber unklar.

Material- und Personalengpässe

Es wurden zwar stellenweise zusätzliche Intensivstationen eingerichtet, aber Intensivmediziner aus vielen Regionen beklagen nach wie vor, dass das Material knapp ist. Bei einem Verbrauch von 30 Liter Desinfektionsmittel pro Tag reiche der Lagerbestand höchstens noch für eine Woche, berichtet zum Beispiel ein Krankenhaus-Arzt vom Niederrhein. Mehrere andere Kliniken bundesweit melden, ihnen gehe bald das Verbrauchsmaterial für die Beatmungsgeräte aus. Eine Klinik aus Süddeutschland hat sich bereits mit Industriebetrieben aus der Umgebung kurzgeschlossen, die nun Teile für Beatmungsschläuche und Beatmungsgeräte herstellen wollen.

„Wenn es in den nächsten Wochen entscheidende Engpässe in der Intensivmedizin gibt, dann nicht bei Räumlichkeiten und Geräten, sondern bei Material und Personal“, beschreibt ein Chefarzt die Situation. Es sei nicht ausgeschlossen, dass demnächst noch mehr Pflegekräfte und Ärzte wegen einer Infektion mit dem Coronavirus oder wegen Erschöpfung ausfielen.

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Wirtschaftliche Schäden

Wie viele Unternehmen, Selbständige und Freiberufler bleibende Schäden aus der Corona-Krise davontragen werden, wird sich erst noch zeigen. Fest steht: Seit Ausbruch der Corona-Krise haben bereits fast eine halbe Million Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Bis Ende vergangener Woche waren es rund 470.000, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte – ein neues Höchstniveau (Stand 29.3.). Wie viele Menschen insgesamt von Kurzarbeit betroffen sein werden, lasse sich derzeit aber noch nicht genau abschätzen.

Bundesarbeitsminister Heil sagte am Dienstag in Berlin, es sei damit zu rechnen, dass in der Corona-Krise mehr Menschen in Kurzarbeit sein werden als während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009. Damals betraf dies 1,4 Millionen Menschen. Verlässliche Angaben gebe es erst, „wenn abgerechnet ist“, sagte BA-Chef Scheele.

Das hängt demnach unter anderem davon ab, wie viele Beschäftigte pro Betrieb kurzarbeiten, wie groß der Arbeitszeitausfall und wie lang die Kurzarbeitszeit-Periode ist. Eine erste „Wasserstandsmeldung“ wolle die BA in vier Wochen geben. Clemens Fuest, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) geht im schlimmsten Fall von bis zu 6,6 Millionen Kurzarbeitern aus.

„Bei allen Problemen im Alltag, die ich wirklich jeden Tag mitkriege, sind wir auch gut durchgekommen. Stand jetzt“, sagte Spahn im Podcast von Gabor Steingart. Aber ich kann Ihnen eben nicht sagen, wie es sich weiterentwickelt. Die Dynamik kann ich Ihnen nicht sagen. Und deswegen sage ich ja: Der schwerere Teil kommt wahrscheinlich noch.“

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jala/lik/mit Informationen der dpa und AFP
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