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  4. Krankenhäuser und Corona: „Warum muss da der Steuerzahler helfen?“

Deutschland Kliniken in roten Zahlen

„Warum muss da der Steuerzahler helfen?“

Personal überlastet und Krankenhäusern droht die Pleite

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schlägt Alarm. Vielen Krankenhäusern drohe ausgerechnet wegen der Corona-Pandemie eine Pleite Anfang des kommenden Jahres. Parallel dazu geht das Personal auf dem Zahnfleisch.

Quelle: WELT/ Max Hermes

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Wird der Betten-Leerstand für die Kliniken existenzbedrohend? Reinhard Busse, Experte für Management im Gesundheitswesen, warnt vor neuen Milliardenhilfen. Dass Betten für Corona-Patienten frei gehalten werden müssten, sei ein „Ammenmärchen“.

Reinhard Busse ist Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin. Er berät gemeinsam mit Vertretern der Krankenhäuser und Krankenversicherungen sowie anderen Wissenschaftlern das Bundesgesundheitsministerium.

WELT: Gerald Gaß, der Präsident der Krankenhausgesellschaft, spricht davon, dass Krankenhäuser eventuell schon im ersten Quartal 2021 keine Gehälter mehr zahlen könnten. Ist da etwas dran, Herr Busse?

Reinhard Busse: Als Studenten haben wir immer über Zahnärzte gesagt: Lerne zu klagen, ohne zu leiden. Ich glaube nicht, dass das ein Problem wird.

Reinhard Busse: „Dass wir diese Debatte aktuell überhaupt führen, ist schon irritierend“
Reinhard Busse: „Dass wir diese Debatte aktuell überhaupt führen, ist schon irritierend“
Quelle: pa/Britta Peders/Britta Pedersen

WELT: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) scheint das anders zu sehen. Er hat eine Garantie für die Gehälter von Krankenhausangestellten ausgesprochen. Sind die Krankenhäuser durch die Corona-Krise so schwer getroffen?

Busse: Fakt ist: Wir haben zu viele Krankenhausbetten für den tatsächlichen Bedarf. Es standen noch nie so viele Betten leer wie zurzeit. Es ist ein Ammenmärchen, dass normale Betten für Corona-Patienten frei gehalten werden müssen. Es möchte einfach gerade niemand ins Krankenhaus.

In normalen Zeiten haben wir über 50 Prozent mehr Patienten als in Nachbarländern. Es ist gut, dass die Leute sich aktuell genau überlegen, ob sie wirklich ins Krankenhaus müssen. Das war im Frühjahr auch schon so: Während der ersten Welle war zum Teil nicht mal jedes zweite Bett belegt. Da haben sich die Krankenhäuser aber nicht daran gestört.

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WELT: Warum nicht?

Busse: Der erste Rettungsschirm sah vor, dass Krankenhäuser für jedes im Vergleich zu 2019 zusätzlich leere Bett pro Tag 560 Euro bekommen. Im Schnitt hatten die Krankenhäuser dadurch höhere Erlöse als 2019.

Und den Steuerzahler hat das zwischen März und September rund neun Milliarden Euro gekostet. Eingeplant war ein Bruchteil. Ganz klar: Das kann nicht ewig so weitergehen!

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WELT: Der im November in Kraft getretene Rettungsschirm handhabt das anders: Die Ausschüttung ist an Bedingungen geknüpft – die Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 in der Region innerhalb von sieben Tagen, die Anzahl der verfügbaren Intensivbetten.

Busse: Genau, weil das Geld zielgerichtet verteilt werden muss. Der neue Rettungsschirm sollte Krankenhäusern helfen, die schwer kranke Covid-Patienten betreuen. Das fand ich richtig und war wesentlich zielorientierter als im Frühjahr. Ich hätte aber am liebsten die Krankenhäuser unterstützt, die besonders viele Patienten auf Intensivstationen behandeln, und nicht diejenigen, die besonders viele freie normale Betten haben.

Jetzt ist am 17. Dezember beschlossen worden, dass – über die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Regelung hinaus – die Länder auch Geld an Kliniken geben können, die überhaupt keine Intensivstation haben. Das kann man als großzügig oder unangemessen betrachten.

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WELT: Mit welcher Begründung geschah das?

Busse: Schwer zu sagen. Das Ministerium ist vielleicht einfach den Forderungen der Bundesländer und der Deutschen Krankenhausgesellschaft nachgekommen. Dass wir diese Debatte aktuell überhaupt führen, ist schon irritierend. Hätte Herr Gaß nicht einfach auch Weihnachtsurlaub machen können?

WELT: Verdienen Krankenhäuser an Covid-Patienten?

Busse: Krankenhäuser sollen ja nicht verdienen, sondern ihre Kosten erstattet bekommen. Ob das der Fall ist, hängt unter anderem davon ab, wie sie vergütet werden. Für Covid-Patienten gibt es ja keine bestimmte Fallpauschale.

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Die Krankenhäuser sagen, sie haben erhöhte Kosten. Das stimmt auch, sagt aber nichts über die Erlöse aus. Gerade Patienten mit künstlicher Beatmung werden auch gut vergütet.

WELT: Die Krankenhausgesellschaft gibt an, dass weniger als ein Drittel der Kliniken für 2020 eine positive Bilanz erwarten.

Busse: Erwarten heißt nicht, dass es so kommt. Wir vom Beirat für die Evaluation der Auswirkungen des Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetzes haben nachgerechnet, dass die Netto-Erlöse von Krankenhäusern gestiegen sind, zumindest bis Ende September. Nicht zuletzt durch die Zahlungen aus dem ersten Rettungsschirm.

Selbst wenn die Krankenhäuser rote Zahlen schreiben würden – was sie überwiegend nicht tun werden –, stellt sich die Frage: Warum muss da jetzt der Steuerzahler helfen, wenn es Überkapazitäten gibt, die es schon vor der Pandemie gab – und die es auch nach der Pandemie noch geben wird?

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