Covid-19-Patienten

Wo es an der Verteilung von Corona-Patienten hakt

Auf die Schnelle haben Kliniken die Verteilung von Patienten organisiert. Die Politik in etlichen Bundesländern hinkt hinterher – es fehlt an übergeordneter Koordinierung.

Von Florian Staeck Veröffentlicht:
Eingang zu einem Behelfskrankenhaus eigens für Covid 19-Patienten nahe Bergamo in Italien. Zu Beginn der Corona-Pandemie haben sich viele Patienten und Ärzte in Krankenhäusern angesteckt. Die Trennung von Covid-19-Erkrankten von anderen Patienten erfolgt in Deutschland mittlerweile konsequent.

Eingang zu einem Behelfskrankenhaus eigens für Covid 19-Patienten nahe Bergamo in Italien. Zu Beginn der Corona-Pandemie haben sich viele Patienten und Ärzte in Krankenhäusern angesteckt. Die Trennung von Covid-19-Erkrankten von anderen Patienten erfolgt in Deutschland mittlerweile konsequent.

© Fotosicki / picture alliance

Berlin. Der medizinische Austausch unter Ärzten bei der Behandlung von Covid-19-Patienten funktioniert leidlich gut. Doch der Aufbau funktionierender Verteilungsstrukturen durch Bund und Länder, um die erwartete Welle dieser Patienten abfedern und verteilen zu können, steht vielerorts noch aus.

Bei einer Online-Konferenz des Science Media Centers am Donnerstagnachmittag übte Professor Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin, harsche Kritik am Vorgehen mancher Bundesländer.

Dort würden Betroffene mit Covid-19 in Krankenhäusern noch behandelt wie andere Patienten auch. „Das ist ein Unding“, so Busse. Nach wie vor betrachteten Politiker Krankenhäuser vor allem als wirtschaftliche Einheiten, die sich in Wettbewerb befinden und nun erst langsam zur Kooperation finden müssen.

Ärzte fragen Kapazitäten via Telefon ab

Auf Landesebene sind unter den Kliniken inzwischen Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen aufgebaut worden – oftmals allerdings ad hoc. Die Folge war, dass anfangs viele Ärzte ausschließlich damit beschäftigt waren, andere Kliniken nach freien Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten abzutelefonieren, berichtete Professor Uwe Janssens, Chefarzt der Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.

Die Klinik liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kreis Heinsberg, dem Hotspot des Erkrankungsgeschehens in Nordrhein-Westfalen. Die Krankenhäuser der Region wurden mit geringem zeitlichen Vorlauf von Erkrankungszahlen überrollt. „Hier hätte ich mir eine Steuerung im Hintergrund gewünscht“, sagte Janssens, der auch Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ist.

In Berlin sind die Krankenhäuser im Rahmen des „Save Berlin“-Plans nach dem Pyramidenprinzip geordnet worden, berichtete Professor Steffen Weber-Carstens vom ARDS ECMO Zentrum der Charité. Dort können Patienten mit akutem Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome) behandelt werden, wenn nötig auch mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO).

Nur die Charité ist Level-1-Klinik

Neben diesem einzigen Level-1-Krankenhäuser sind in Berlin 16 weitere Häuser dem Level 2 zugeordnet. Dort sollen auch schwere Intensivfälle behandelt werden. Die übrigen Kliniken fallen unter Level 3 und sollen, wenn möglich, von Patienten mit schweren Covid-Verläufen freigehalten werden. Das sei eine der Lernerfahrungen aus Norditalien, wo Patienten unkontrolliert in die Kliniken eingeliefert wurden und dort andere Patienten oder Ärzte sowie Pflegekräfte infiziert haben.

Allerdings fehle es bisher an Koordinierungseinheiten, die über einzelne Bundesländer hinausgehen, bemängelte Chefarzt Janssens. Diese sollten dann eingeschaltet werden, wenn sich abzeichnet, dass die Behandlungskapazitäten in einem Bundesland erschöpft sind.

„Enorme Intensiv-Kapzitäten vorhanden“

Allerdings sei man in Deutschland von diesem Punkt aktuell noch weit entfernt, waren sich die Experten einig. Aktuell werden bundesweit rund 2200 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen behandelt. Damit gebe es hierzulande derzeit mehr freie Intensivbetten als insgesamt in Italien zur Verfügung stehen, berichtete Janssens.

Hinzu komme, dass es in Deutschland aktuell 8770 Intensivbetten gebe, die binnen 24 Stunden zusätzlich geschaffen werden könnten. „Wir haben in Deutschland eine enorme Kapazität, die wir nutzen können“, so Janssens.

Derzeit gebe es daher auch keinen Grund, positiv getestete Ärzte mit milden Symptomen weiter auf Covid-19-Stationen arbeiten zu lassen. „Die Kollegen sollte man nach Hause in Quarantäne schicken“, sagte Weber-Carstens. Gegenwärtig sei auch wegen der vielen Hilfsangebote von nicht mehr berufstätigen oder patientenfern arbeitenden Ärzten genug Personal vorhanden.

Gleichwohl rechne man mit einem starken Anstieg von Covid-19-Patienten in den Kliniken. „Die nächsten fünf bis sieben Tage werden spannend werden“, sagte DIVI-Chef Janssens.

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