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11.11.2020

Zahl der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen wächst langsamer als gedacht

Die deutschen Intensivstationen füllen sich weniger schnell als befürchtet mit COVID-19 Patienten. Das zeigen Zahlen aus dem DIVI-Intensivregister. Seit der Woche ab dem 26. Oktober nimmt der Anstieg der täglichen Neuaufnahmen von COVID-19-Patienten im Vergleich zur Vorwoche in der Tendenz ab. Das Gleiche gilt ab dem 2. November auch für das Wachstum der Gesamtzahl von COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen. So betrug der wöchentliche Anstieg bei der Zahl der belegten Intensivbetten durch COVID-19-Patienten am 26. Oktober noch rund 65 Prozent. Am 10. November waren es noch rund 30 Prozent – Tendenz derzeit stark fallend. Das bedeutet, dass die Intensivstationen sich weiterhin füllen, aber langsamer als noch vor zwei Wochen befürchtet – eine gute Nachricht.

Die Entwicklung ist möglicherweise bereits die Folge eines inzwischen ebenfalls gebremsten Wachstums bei den Zahlen der täglichen Neuinfektionen (Grafik). Fragt man Expert*innen, gibt es aber noch weitere Faktoren, die das Wachstum der Patientenzahlen auf den Intensivstationen beeinflussen. Und die dafür sorgen könnten, dass die Zahlen auch wieder steigen. Welche Faktoren sind das? Sorgen die aktuellen Zahlen für Entspannung unter Intensivmedizinern? Und sollten jetzt – wie im Frühjahr – wieder alle Kliniken vom Regelbetrieb in den „Notfallbetrieb“ umschalten und dafür verschiebbare Operationen abgesagt werden?

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), und Chefarzt/Sektionsleiter Intensivmedizin, St.-Antonius-Hospital, Eschweiler
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  • Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing
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  • PD Dr. Matthias Kochanek, Leiter internistische Intensivmedizin, Uniklinik Köln
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  • Dr. Viola Priesemann, Leiterin der Forschungsgruppe Theorie neuronaler Systeme, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen
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  • Prof. Dr. Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
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Statements

Prof. Dr. Uwe Janssens

Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), und Chefarzt/Sektionsleiter Intensivmedizin, St.-Antonius-Hospital, Eschweiler

„In der Kalenderwoche 45 (2. bis 8.November) gab es weiterhin einen stetigen Anstieg der gemeldeten Infektionszahlen in absoluten Werten. Diese liegen deutlich über den Werten im Frühjahr. Sicherlich ist ein Grund darin zu sehen, dass erheblich mehr Tests durchgeführt wurden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich dieser Trend der steigenden Infektionszahlen in Kalenderwoche 44 und Kalenderwoche 45 mit einer zehn bis 14-tägigen Verzögerung auch auf den Intensivstationen widerspiegelt. Wir beobachten zurzeit, dass das mediane Erkrankungsalter seit Anfang September wieder merklich ansteigt. Das kann man auch in den Abbildungen des Robert Koch-Instituts gut verfolgen. Auch der Anteil der über 60-Jährigen nimmt nunmehr überproportional wieder zu. Somit muss befürchtet werden, dass auch der Anteil der stationären Behandlungsfälle zunehmen wird – und damit in Konsequenz auch die Zahl der intensivstationären Behandlungsfälle. Im Augenblick gehen wir davon aus, dass rund 1,5 bis 2 Prozent aller gemeldeten infizierten Personen im weiteren Verlauf intensivpflichtig werden. Umgerechnet würde das für die 100.000 gemeldeten infizierten Personen in der Kalenderwoche 44 mit einer Verzögerung von zwei Wochen eine Anzahl von 1500 bis 2000 intensivpflichtigen Patienten bedeuten. Diese werden selbstverständlich nicht alle an einem Tag intensivpflichtig, sondern mit Verzögerungen. Tatsächlich beobachten wir im Moment aber nicht diesen Verlauf. Doch wir müssen in den nächsten Tagen sehr genau beobachten, wie sich die Situation weiterentwickelt. Wir dürfen keinesfalls vergessen, dass die Behandlung eines COVID-19-Patienten auf der Intensivstation sehr langwierig sein kann – in einigen Studien im Median bis zu 24 Tage.“

Auf die Frage, ob alle Krankenhäuser wieder vom Regelbetrieb in den Pandemiemodus schalten und elektive Operationen erneut größtenteils verschoben werden sollten:
„Hierauf ist die Antwort eindeutig: Das hängt von der Region und von dem lokalen Infektionsgeschehen ab. Es muss sehr genau auf die regionalen Infektionszahlen und die regionale Belastung der Intensivstationen geschaut werden. Wir müssen auch mitbedenken, dass die Krankenhäuser sowohl schwerkranke COVID-19-Patienten als auch schwerkranke Non-COVID-19-Patienten behandeln. Der Anteil der Patienten ohne COVID-19 ist deutlich höher, das ist auch den Daten des DIVI-Intensivregisters zu entnehmen. Trotzdem ist in einigen Regionen per Verordnung oder aus Eigeninitiative der Krankenhäuser schon ein Übergang auf den sogenannten ‚Notfallbetrieb‘ mit Absage von verschiebbaren Aufnahmen und Eingriffen erfolgt. So zum Beispiel im Land Berlin. Auch die Uniklinik Düsseldorf musste in der vergangenen Woche auf Notfallbetrieb umstellen und alle elektiven Aufnahmen und Eingriffe vorübergehend stoppen. Für die Regionen und Städte, in denen die Krankenhäuser bereits an die Grenzen ihrer Belastung geraten, sollte aus unserer Sicht jetzt eine Verordnung erfolgen, die die betroffenen Kliniken abgestuft in den Notfallbetrieb versetzt. Dabei nenne ich als Beispiel die Regelungen des Landes Berlin. Damit verbunden sollten auch die finanziellen Kompensationen relativ zügig verbindlich geregelt werden.“

„Wir haben in Deutschland Zentren der Maximalversorgung wie zum Beispiel die Unikliniken, wir haben Kliniken der Schwerpunktversorgung und schließlich Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Wir müssen dringend festlegen, welche Krankenhäuser welcher Versorgungsstufe im Pandemiegeschehen welche Aufgaben übernehmen sollen. Bei der Notfallversorgung beispielsweise haben wir in Deutschland eine klar gestufte Einteilung der Krankenhäuser: Krankenhäuser, die eine Basisnotfallversorgung übernehmen sollen; Kliniken, die für eine erweiterte Notfallversorgung da sind und schließlich Häuser, die eine umfassende Notfallversorgung leisten müssen. In Analogie zu diesem Notfallversorgungskonzept müssten die Krankenhäuser auch in Bezug auf die Versorgung von Patienten mit COVID-19 und anderen Erkrankungen klar zugeordnet werden. Schwerkranke Patienten (mit und ohne COVID-19) sollten ausschließlich in Kliniken behandelt werden, die über eine ausreichende Expertise in der Beatmung und der Langzeitbeatmung verfügen. Dennoch wäre es unklug, die übrigen Häuser nicht mit in die Gesamtversorgung der Patienten mit einzubeziehen, da diese im Ernstfall bei Überlastung des gesamten Systems immer noch alle Patienten behandeln könnten, die nicht so schwer krank sind, dass sie eine qualitativ hochwertige intensivmedizinische Behandlung benötigen.“

„Es muss nochmals betont werden, dass es nicht um das Freihalten von Betten geht, sondern um den sinnvollen Einsatz der vorhandenen Ressourcen, und dabei insbesondere der personellen Ressourcen, die wir benötigen, um die Intensivmedizin adäquat betreiben zu können. Das allgemeine Notfallgeschäft und die tatsächliche Anzahl der schwer erkrankten COVID-19-Patienten kann man nicht exakt im Voraus planen. Es handelt sich dabei immer um grobe Abschätzungen, die in die eine oder auch in die andere Richtung laufen können. Um einen Puffer auf den Intensivstationen zu haben, benötigen wir tatsächlich eine Reservekapazität, die unmittelbar verfügbar sein muss – und nicht erst in sieben Tagen. Die Sieben-Tages-Reserve ist ausreichend mit über 12.000 Intensivbetten bestückt. Diese können aber nicht ad hoc betrieben werden, da für diese Betten kein Personal zur Verfügung steht.“

Prof. Dr. Clemens Wendtner

Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing

„Insgesamt halte ich es noch für verfrüht, finale Schlüsse aus den kurzfristig sichtbaren rückläufigen Intensivbelegungszahlen für COVID-19-Patienten zu ziehen. Es bleibt festzuhalten, dass lediglich die Zuwachsrate an intensivpflichtigen COVID-19-Patienten im Tagesverlauf ein wenig abnimmt, wir aber immer noch absolut betrachtet einen Anstieg der Patienten auf Intensivstationen in Deutschland registrieren. Auf dem Niveau der Normalstationen gibt es noch keine Trendwende, das heißt, dort steigen die Zahlen der zu versorgenden Patienten kontinuierlich an.“

„Die Patienten kommen zum Teil mit früh diagnostizierten COVID-19-Symptomen, sodass bei entsprechender Behandlung auch ein Intensivaufenthalt verhindert werden kann. Auch scheint die Wechselzeit auf Intensivstationen aufgrund einer besseren medizinischen Versorgung, wozu verfeinerte Beatmungstechniken, aber auch die Gabe von Dexamethason zählen, bei einzelnen Patienten verkürzt zu sein.”

„Allerdings muss auch angemerkt werden, dass aufgrund des zum Teil sehr hohen Alters der Patienten mit über 80 Jahren mit starken Komorbiditäten nicht mehr alle Patienten intensivmedizinisch versorgt werden. Das bedeutet konkret, es wird in einzelnen Fällen bewusst eine Therapie-Zieländerung in Richtung palliativmedizinischer Versorgung vorgenommen. Das Problem der limitierten Intensivkapazitäten kann sich also durchaus noch verschärfen, wenn mehr und mehr jüngere Patienten in die Kliniken kommen und letztendlich auch intensivmedizinisch versorgt werden müssen.“

„Bereits jetzt haben viele Kliniken intern in den ‚Pandemie-Modus‘ umgeschaltet und neben Eröffnung von COVID-19-Stationen auch bereits elektive Eingriffe heruntergefahren. Damit sind Intensivkapazitäten, die sonst zum Beispiel für postoperative Patienten zur Verfügung stehen würden, dem COVID-Pool zugeordnet worden. Ein Regelbetrieb in Häusern der Maximalversorgung ist mit jedem Tag weniger möglich und die Vorstellung, dass Betten leer stehen oder künstlich freigehalten werden müssten, ist irreführend.“

„Einen Effekt der neuen Kontaktbeschränkungen in den leicht rückläufigen Wachstumszahlen der Intensivbelegungen zu sehen, halte ich noch für zu früh, da wir bei COVID-19 mit Erkrankungsbeginn circa drei bis vier Wochen Latenzzeit bis zur intensivmedizinischen Betreuung einrechnen müssen.”

„Die europäischen Nachbarländer sollten uns eine Warnung sein: Bei ihnen kam es auch zu Beginn nur zu einer langsamen Belegung der Intensivkapazitäten im Spätsommer, bevor das System hinsichtlich der Intensivbetten nunmehr im November überlastet erscheint. Patienten müssen derzeit innerhalb dieser Länder in Regionen mit weniger COVID-19-Belastung oder aber ins europäische Ausland verlegt werden.”

„Noch haben wir in Deutschland eine Pufferkapazität auf Intensivstationen, die aber sowohl hinsichtlich der Betten als auch des Personals endlich ist. Es bedarf bereits jetzt der solidarischen Hilfe für Kliniken, die hinsichtlich der COVID-Versorgung stark ‚im Feuer‘ stehen: Eine Verlegung von Intensivpatienten auf umliegende Häuser wird zum Beispiel bereits in Augsburg praktiziert, wo die Zahlen der COVID-19-Patienten überproportional hoch ist.“

„Eine strukturierte Versorgung von Intensivpatienten wird in Bayern durch die Einrichtung eines ‚Ärztlichen Leiters Krankenhauskoordinierung‘ im Rahmen der neuen Allgemeinverfügung, die am 02.11.2020 in Kraft getreten ist, hoffentlich gewährleistet. Für eine Entwarnung – egal ob in Bayern oder Deutschland – ist es leider noch zu früh und wir müssen die nächsten Wochen kritisch und wachsam bleiben.“

PD Dr. Matthias Kochanek

Leiter internistische Intensivmedizin, Uniklinik Köln

Auf die Frage, nach Erklärungsansätzen für das scheinbar verlangsamte Wachstum der COVID-19- Intensivfälle:
„Ich habe den Eindruck, dass wir an der Uniklinik Köln im Gegensatz zur ersten Welle deutlich mehr Fälle auf der Normalstation haben. Mein persönlicher Eindruck ist auch, dass die Zeit von der Infektion bis zur Intensivstation etwas kürzer ist als im Frühjahr. Mit dem Wirkstoff Dexamethason habe ich zudem den Eindruck, dass die Zeit auf der Intensivstation etwas verkürzt ist. Aber es ist sicher zu früh, aus den aktuellen Zahlen sichere Schlüsse zu ziehen.“

„Ich persönlich glaube auch, dass die Zahlen des DIVI-Registers um bis zu 20 Prozent daneben liegen können – zum Beispiel bei der Anzahl der freien Betten beziehungsweise Beatmungsbetten. Schaut man sich die Krankenhäuser alleine hier in Köln an, so werden zum Beispiel zwei freie Intensivbetten gemeldet, aber fünf freie Beatmungsmöglichkeiten. Ob aber auch die bloße Anzahl der COVID-19-Patienten auf Intensivstation richtig oder fehlerhaft berichtet wird, bleibt unklar, denn da sind die Eingaben eigentlich eindeutig.“

Auf die Frage, ob Krankenhäuser wieder – wie zurzeit von DIVI und DKG gefordert – vom Regelbetrieb in den Pandemie-Modus umschalten sollen, um Betten freizuhalten und dafür elektive Operationen verschieben sollen:
„Wir müssten vor allem intelligent mit den Betten auf Intensivstationen umgehen und die Aufgaben unter den Kliniken besser verteilen. Wir haben zum Beispiel an der Uniklinik Köln wesentlich weniger elektive Operationen als kleinere Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Wenn diese weniger beatmungserfahrenen Krankenhäuser nun zum Beispiel das unkompliziertere ‚Weaning‘ der Patienten übernehmen würden (das Entwöhnen der COVID-19-Patienten von der Beatmungsmaschine; Anm. d. Red.), dann würde das die Intensivstationen der Krankenhäuser der Maximalversorgung entlasten. Diese könnten sich dann verstärkt um Patienten mit schwerem Lungenversagen kümmern, dem Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS). Leider ist dieser Ansatz, bei dem die Kliniken im Pandemiegeschehen unterschiedliche, voneinander abgegrenzte Aufgaben haben – wie in Berlin zum Beispiel umgesetzt – aus vielen Gründen nicht überall gewollt, nicht mehr umsetzbar oder aufgrund von geographischen Begebenheiten nicht möglich.“

Dr. Viola Priesemann

Leiterin der Forschungsgruppe Theorie neuronaler Systeme, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen

„Aus Sicht der Modellierung ist die Datenlage aktuell noch zu unsicher, um eine klare Aussage zu treffen. Schwankungen der Wachstumsraten der Intensivfälle gab es in den vergangenen Wochen immer wieder. Insofern sollte man noch ein bis zwei Wochen abwarten, bevor belastbare Rückschlüsse gezogen werden können. Ähnliches gilt für die Berechnung des R-Wertes, bei dem sich die Berechnung auch typischerweise erst mit einer Verzögerung von circa einer Woche stabilisiert. Um die aktuelle Entwicklung bezüglich der Intensivstationen besser einschätzen zu können, wären auch Daten über die Altersverteilungen der PatientInnen sehr wünschenswert. Leider sind diese nicht offen zugänglich. Sie spielen aber eine entscheidende Rolle bei der Interpretation. Das haben wir schon in unserer jüngsten Studie [1] zu der scheinbaren Diskrepanz zwischen Infektionen und Sterbefällen am Anfang der zweiten Welle gesehen.“

Prof. Dr. Reinhard Busse

Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin

„Bei den Angaben im DIVI-Tagesreport muss zwischen zwei Zahlen unterschieden werden: Es gibt Angaben dazu, wie viele COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen (ITS) täglich neu aufgenommen werden. Ein zweiter Wert zeigt, wie sich die Gesamtzahl der COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen entwickelt. Er wird berechnet, indem von der Zahl der Neuaufgenommen die Zahl der Entlassenen abgezogen wird. Schauen wir auf die erste Zahl – die tägliche Neuaufnahme von COVID-19-Patienten –, so ist der absolute Wert derzeit immer noch leicht zunehmend mit über 400 pro Tag – mit gewissen Meldeverzögerungen am Wochenende. Die Gesamtzahl der COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen steigt aber nicht mehr so schnell an. Das liegt unter anderem daran, dass es ja inzwischen auch schon wieder Entlassungen gibt. Das war beim initialen Anstieg der Patientenzahlen auf Intensivstationen anders, da es noch kaum zu entlassende Patienten gab.“

„Gleiches gilt für die Zahlen in anderen Ländern. Im Prinzip steigen Neuinfektionen, Krankenhausaufnahmen und ITS-Aufnahmen parallel an – wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau als bei der ersten Welle. Etwas unterschiedlich von Land zu Land werden circa vier bis fünf Prozent aller gemeldeten Fälle im Verlauf der Erkrankung hospitalisiert. Von diesen Patienten wird jeder fünfte bis zehnte intensivpflichtig – das heißt, der Anteil der intensivpflichtigen Patienten ist in diesen Ländern derzeit geringer als bei uns in Deutschland. Die Intensivstationen in unseren europäischen Nachbarländern haben sich etwas stärker gefüllt. Derzeit liegen dort zwischen 3,6 pro 100.000 Einwohner (in den Niederlanden) und 11,7 pro 100.000 Einwohner (in Belgien) auf den Intensivstationen. Italien (4,4/100.000), Spanien (5,9/100.000) und Frankreich (6,8/100.000) liegen dazwischen. Umgerechnet auf die deutsche Bevölkerung würde das zwischen 3.000 beziehungsweise 10.000 intensivpflichtige Patienten bedeuten.“

Auf die Frage, ob alle Krankenhäuser wieder vom Regelbetrieb in den Pandemiemodus schalten und elektive Operationen erneut größtenteils verschoben werden sollten:
„Dies ist nur mit längeren Ausführungen umfassend zu beantworten. In Kürze kann man sagen, dass an drei Schrauben gedreht werden sollte. Erstens: Krankenhäuser sollten in Abhängigkeit von Ausstattung und Erfahrung – zum Beispiel eigene Abteilung für Intensivmedizin, Beatmungserfahrung und weiteres – in verschiedene Klassen eingeteilt werden, wobei COVID-19-Patienten zunächst nur in Klasse-1-Häusern aufgenommenen werden sollten. Zweitens: In Abhängigkeit vom regionalen Infektionsgeschehen kommen dann Häuser der Klasse 2 hinzu und so weiter. Drittens: Die jeweils für COVID-19-Patienten vorgesehenen Kliniken sollten nicht für freie Betten Geld erhalten. Sie sollten – auf Grundlage der Zahlen vom vergangenen Jahr – Geld für zusätzlich behandelte Intensivpatienten erhalten (COVID-19 und andere), um so die Krankenhäuser für die Nutzung der (angeblich) zusätzlich geschaffenen Intensivkapazitäten zu belohnen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Reinhard Busse: ist Mitglied des Fachbeirates des Bundesgesundheitsministeriums (nach §24 KHG); Anm. d. Red.

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Linden M et al. (2020): Überschreitung der Kontaktnachverfolgungskapazität gefährdet die Eindämmung von COVID-19. Deutsches Ärzteblatt; 117: 790-1; DOI: 10.3238/arztebl.2020.0790.